Als zertifizierter Coach und Supervisor (DGSv) unterstütze ich sozial, lehrend und leitend Handelnde, Ihre Aufgaben erfolgreich, zufrieden, mit Qualität und anhaltend gesund auszuüben.
stichwortartig
höre professionell zu
suche/finde Verbindendes
lerne gerne und fortwährend
rege an: zu > Verständnis > Klärung und Klarheit > Zusammenarbeit > praktikablen Lösungen > Perspektiven-Vielfalt > Probe-Handlungen
pragmatischer Impuls
Mit hilfreichen Gewohnheiten anzufangen, ist ein guter Anfang
und aufzuhören mit Ablenkungen, Abwertungen, Hass und anderen sich selbst und andere zerstörenden Verhaltensweisen.
ausführlicher formuliert
Mehr Möglichkeiten (er-)finden, Verbindendes wahrnehmen, ermöglichen, anreichern, reflektieren, entscheiden und gut leben, wirksam (zusammen-)arbeiten, (sich) verstehen, entwickeln, wagen und erproben.
1. Ich gehe in einer positiven Grundstimmung, bin gerne Lehrer und habe bis zum Ende Freude am Unterrichten
Lehrkräfte haben eine wunderbare, bedeutsame, sinnvolle (manche sagen auch „machtvolle“) Aufgabe: Wir dürfen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bei Ihrer persönlichen, sozialen und fachlichen Entwicklung begleiten. Ende Juli 2024 beende ich meine Tätigkeit an beruflichen Schulen nach 22 Jahren. Ich möchte diese lange Zeit mit einer ermutigenden Bilanz meiner Arbeit abschließen.
Mit der Veröffentlichung dieses ausführlichen Blog-Beitrags trage ich dazu bei, die Redezeit in der Abschluss-Konferenz Ende Juli kurz zu halten.
Ich gehe mit mehrdeutigen Gefühlen: Einerseits bin ich zufrieden und andererseits ahne ich auch, dass manche Aspekte meiner aktuellen Berufsrolle mir zukünftig auch fehlen werden. Und schließlich gibt es – wie in jedem Beruf – selbstverständlich manches, auf das ich in Zukunft gerne verzichte.
2. Worauf ich zukünftig gerne verzichte
2.1 Verunsichernde und anstrengende Kursbildungen am Anfang und unangekündigte Unterrichtsausfälle am Ende des Schuljahres
In den ersten drei bis vier Wochen am Schuljahresbeginn musste ich regelmäßig bangen, ob Kurse eventuell nicht zustande kommen könnten, weil zu wenig Schüler*innen den Religionsunterricht wählten. Die Alternative zum Religionsunterricht war jahrelang Unterrichtsentfall und nicht das Ersatzfach Ethik. Daraus konnte sich dann Fehlstunden in meinem Deputat ergeben, das heißt, ich musste im nächsten Schuljahr nacharbeiten.
In den ersten vier bis fünf Schulwochen musste ich allen möglichen Listen hinterherjagen: Welche Schüler*innen gehören in meinen Kurs? Und welche gehen nach Ethik? Bleiben Schüler als sogenannte „U-Boote“, also „ducken sich weg“ und erscheinen so weder im Ethik- noch im Religionsunterricht? Wie finden und sprechen wir diese an?
Gegen Ende des Schuljahres gibt es vermehrt Betriebsbesichtigungen oder andere Ausflüge. Solche Unternehmungen sind sicher sinnvoll und unterstütze ich gerne. Ärgerlich reagiere ich allerdings, wenn die planenden Kolleg*innen es unterlassen, die auch noch betroffenen Fachlehrkräfte rechtzeitig von ihren Plänen und den Auswirkungen auf geplanten Unterricht zu informieren. So ist zum Beispiel der Versuch einer Auswertung der dreijährigen Oberstufe statt mit der Gesamtgruppe von zweiundzwanzig Personen nur mit zwei Anwesenden sinnlos. Dieser Ärger wäre leicht vermeidbar: Wenn die Information rechtzeitig kommt, kann noch umgeplant werden!
2.2 Ineffiziente Konferenzkultur
In schlecht vorbereiteten Konferenzen habe ich regelmäßig gelitten und es wurde manche unnötige Arbeitsstunde und Motivation „verbrannt“. Die meisten Konferenzen fanden im Sitzen, methoden-monoton und ohne eigene Moderation (getrennt von den Personen mit inhaltlichen Interessen) statt. Hier gibt es viele gute Ideen, wie z.B. Stehtisch-Konferenzen, rollierende Moderation oder Methoden-Vielfalt.
Einzelne Konferenz hätte sehr viel effizienter durch eine Informations-E-Mail ersetzt werden können.
Manche andere wäre durch genügend Vorinformationen (Was geschah bisher? Welchen Entscheidungsrahmen haben wir? Wer ist beteiligt? Bis wann muss die Entscheidung gefällt werden? Gibt es schon Erfahrungen mit den unterschiedlichen Modellen aus anderen Bereichen? …) deutlich effektiver geworden. Schade.
2.2 Korrekturen und neue Prüfungsformate
Allgemein habe ich nicht gerne korrigiert. Noch weniger gerne korrigierte ich Abitur-Prüfungen, bei denen ich in den ersten beiden Arbeitsschritten nach Fehlern suchen musste. Schlecht lesbare und lieblos hingeschmierte Schüler-Antworten zu korrigieren, war besonders herausfordernd.
Die neue Abiturprüfung ohne die Chance der Schüler*innen, selbst Präsentationsthemen vorzuschlagen, und jetzt mit vielen, kleinteiligen Prüfungsfragen, bewerte ich als einen bedauerlichen Rückschritt bei modernen Prüfungsformaten.
2.3 Ständige Aufgaben-Erweiterungen ohne angemessene Ressourcen-Steuerung
Gefühlt alle sechs bis neun Monate wurden neue pädagogische Moden, Modelle oder auch Verfahren angeregt, für die dann allerdings oft keine zusätzlichen oder ausreichenden Ressourcen bereitgestellt wurden. – Ganz nach dem baden-württembergischen Motto „Wir wolle(n) alles; darf nur nix koschde!“.
Überhaupt habe ich nur sehr selten erlebt, dass eine Aufgabe wegfallen konnte. Die sehr produktiven Kontroll-Fragen „Was kann ohne Qualitätsverlust unterlassen werden?“ und „Was kann statt des neuen Verfahrens wegfallen?“ wurde leider zu wenig gestellt und offensichtlich auch zu selten beantwortet. Die Steuerung der Belastung wird so auf die individuelle Ebene jeder einzelnen Lehrkraft verlagert.
2.4 Unangenehme Arbeitsbedingungen
Der ständige Kampf um Aufmerksamkeit in einer reiz- und mediengefluteten Umwelt macht es mir zunehmend schwer – am meisten in pubertierenden Mittelstufenklassen, in eine konzentrierte Unterrichtsatmosphäre zu gelangen. Als allgemeinbildender Lehrer habe ich den Anspruch, Texte und Gedanken-Zusammenhänge zu erschließen und zur Auseinandersetzung mit verstandenen Inhalten herauszufordern. Im Konkurrenzkampf um Aufmerksamkeit mit Spielen oder „witzigen YouTubes“, die jederzeit auf dem Handy erreichbar sind, kann ich leider eher selten gewinnen. Zuweilen beschleicht mich zusätzlich der Eindruck, dass die Eltern bei der Regulierung des Medienzugangs und der Medienbildung ihrer Kinder kapituliert haben. Aufgeben ist keine passende Option für mich und meine Vorstellung von meiner Berufsrolle. Die fortdauernde Werbung um Konzentration und Regulierung eines zielführenden Medieneinsatzes macht auf die Dauer aber sehr müde.
Je komplizierter und komplexer die eingesetzte Technik ist, umso mehr kann es Technik-Probleme geben: schwaches oder nicht funktionierendes WLAN, defekte Verdunkelungen in den Unterrichtsräumen, fehlende Schülerdaten im elektronischen Klassenbuch oder der Lernplattform Moodle, fehleranfällige elektronische Notenerfassungsprogramme, defekte Bildschirme und PCs, „kreative“ Änderungen der Verkabelung durch Kolleg*innen, etc.). Der Mulimedia-Beauftragte im Kollegium und die Kollegen aus der Netzwerkbetreuung engagieren sich stark. Dennoch kommt es immer wieder zu Ausfällen oder Defekten mit teilweise erheblichen Stör-Auswirkungen auf den Unterricht.
Überhitzte Klassen-, Arbeits- und Konferenz-Räume wurden in den letzten Jahren immer problematischer: Im Juni/Juli wird es in manchen Räumen im Betongebäude schon auch mal 30 Grad und mehr heiß. Mein Seniorenkörper hat das immer weniger gut vertragen und auch für die Schüler*innen waren diese Raumtemperaturen eine echte Zumutung. Das melden mir die Schüler*innen auch regelmäßig in den Auswertungen der Schuljahre als sehr belastend zurück.
3. Was ich an meinem Beruf geliebt habe und wofür ich dankbar bin
In meinen letzten Arbeitswochen verteilte ich kleine, bunte Smileys – immer wieder an Orten oder in die Postfächer von Kolleginnen und Kollegen.
Ich zeigte damit an, wo und mit wem ich es angenehm und/oder auch hilfreich empfunden hatte.
Angeregt wurde ich zu dieser Aktion durch Berichte über die Ulmer Rathausente.
3.1 Begegnungen und Beziehungen
In diesem Beruf konnte ich meine menschen-zugewandte Grundhaltung ausleben und bin nur selten enttäuscht worden.
Immer wieder junge Menschen und auch Kolleg*innen treffen und kennenlernen zu dürfen, hat meine geistige Beweglichkeit gefordert und gestärkt. Die Schüler*innen werde ich vermissen – fast alle! Und manche Schüler*innen sagten mir beim Abschied, sie würden auch mich im nächsten Schuljahr vermissen. Danke; tut gut.
Ich schätze Kollegialität und habe einen Kreis verlässlicher Kolleg*innen gefunden und gepflegt. Mit ihnen konnte ich mich abstimmen, reiben und weiterentwickeln. Gelegentlich wurden sie auch „meine Klagemauer“. Höhepunkte wechselseitiger Unterstützungwaren die Jahrestagungen der Religionslehrer*innen in Hohritt und Rastatt, die pädagogische Fallbesprechungsgruppe an der Schule von 2009 bis 2023 und das vertraute Kollegium im Lehrerarbeitsraum 309.
Auch die Mitarbeiterinnen in der Verwaltung und die Technikfachleute waren freundlich und zielstrebig bei der Unterstützung von uns Lehrkräften.
3.2 Herausforderungen und Erfolge im Unterricht
Ich liebe die Herausforderung, komplexe Zusammenhänge so zu vereinfachen, dass sie verständlich sind, ohne falsch zu werden. Wenn dann „Ach-So-Momente“ möglich waren, entlohnte mich dies für die investierte Vorbereitungen und machte zufrieden.
Ich habe gerne (gut) vorbereiteten Unterricht gehalten und darum langfristig geplant und häufig auch schon eine Skizze der Klassenarbeit vor Unterrichtsbeginn erstellt. So sorgte ich für eine ruhige Unterrichtssteuerung und förderte meine Gelassenheit.
Mein konstruktivistisches Lernverständnis hat sich für mich und meinen Unterricht bewährt. (Ausgewählte Annahmen in Stichworten: Empfänger*innen bestimmen die Bedeutung der Nachricht; kommunikative Missverständnisse sind wahrscheinlicher als selbstverständliches Verstehen; Lernen ist hoch-individuell und weitgehend selbstbestimmt …). Die daraus entwickelte Unterrichtsroutine mit jeweils individuellen, persönlichen Lernzielen innerhalb der allgemeinen Bildungsplanziele war fast durchgehend erfolgreich: Die – nach anfänglichen Einwänden – doch oft motivierten Schüler*innen konnten am Ende der Unterrichtseinheiten nach den eigenen Unterrichtszielen auswerten und waren überwiegend zufrieden.
3.3 Persönliche Entwicklung und Selbstreflexion
Gerne habe ich die Herausforderungen im Kontakt mit anderen Menschen dazu genutzt, als Persönlichkeit weiter zu wachsen. So konnte ich im Laufe der Berufsjahre als Lehrer meinen antrainierten Perfektionismus etwas mildern. Inzwischen meine ich: Es ist schon gut, wenn mehr gelingt als misslingt! Das gilt besonders in einem Feld, in dem viel auch vom jeweiligen Gegenüber, den Rahmenbedingungen und auch der Gruppendynamik abhängt.
Da ich auch für die Inhalte meines Fachs und die theologischen, philosophischen, soziologischen und psychologischen Aspekte der Themen fortdauerndes Eigeninteresse entwickeln konnte, durfte ich mich in meinem Beruf mit für mich auch persönlich spannenden Themen befassen.
3.4 Gestaltungsfreiraum und Eigeninitiative
Die Grundliberalität an der Richard-Fehrenbach-Gewerbeschule in Freiburg wird wohl oft nicht wahrgenommen: Die Schul- und Abteilungsleitungen lassen uns Lehrkräften viel Gestaltungsfreiraum. Wer wusste, was er wollte, konnte eigene Schwerpunkte setzen. Das habe ich gerne genutzt – frei nach dem Motto der Rebels@Work Gründerin Anja Förster: „Frag nicht, was deine Kollegen, dein Chef, dein Unternehmen oder dein Land für dich tun können. Mach es einfach selbst!“.
In alle Schularten außer dem Technischen Gymnasium sind die Lehrpläne für das Fach Religion sehr offen und fordern ausdrücklich zur Berücksichtigung der Interessen der Schüler*innen auf. So konnte ich die Lerngruppen an der Themenfindung beteiligen. Immer wieder führte das auch zu Motivation und engagierter Beteiligung und schließlich auch positiven Rückmeldungen.
3.5 Anerkennung und Wertschätzung
Es tut einfach gut, immer mal wieder zu spüren und rückgemeldet zu bekommen, dass meine Arbeit eine Wirkung hat, sinnvoll ist und gewürdigt wird.
Gerne gebe ich die Anerkennung und den Dank an die Vielen auf und hinter der Bühne der Schule auch zurück, ohne deren Arbeit ich selbst nicht arbeiten hätte können oder zumindest nicht so gut: + die Reinigungskräfte + die Techniker + die Verwaltungsmitarbeitenden + die Medienzentralen im Landkreis und der Erzdiözese Freiburg + die Fachberater*innen + das Team um Holger Radenz vom AOK-Forum für schmackhafte und angenehme Mittagspausen + meine Männergruppe + alle in den virtuellen Lehrer*innen-Zimmern, ob früher auf twitter, in den verschiedenen Barcamps oder in der Blase der Edu-Blogger*innen oder aktuelle Kontakte über die Schule hinaus + die Kolleg*innen in der Fachgruppe, im Wohlfühlort Raum 309 und im Gesamtkollegium der Richard-Fehrenbach-Gewerbeschule in Freiburg
4. Eine konzentrierte Kurz-Version in vier Punkten
Diese Version ist meine Kurz-Ansprache auf der Abschluss-GLK am 19. Juli 2024:
Als Lehrkräfte haben wir eine wunderbare, bedeutsame, sinnvolle (manche sagen auch „machtvolle“) Aufgabe: Wir dürfen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bei Ihrer persönlichen, sozialen und fachlichen Entwicklung begleiten. Das hat mich dauerhaft motiviert.
Anspruchsvolle Professionalität. Ich lege Wert auf anspruchsvolle Fachlichkeit und langfristige Planung. Diese Ansprüche habe ich auch auf andere übertragen. Manchmal führte das zu Reibungen. ‑ Insgesamt habe ich überwiegend gute Erfahrungen mit dem hohen Anspruch an mich als Professional gemacht und auch viele bestärkende Rückmeldungen bekommen. Ich habe regelmäßig in diesem Bereich reflektiert und an mir gearbeitet. Das hat sich gelohnt!
Gepflegte Kollegialität. Mir tut es gut, mich mit anderen Menschen zu verbinden. Ich habe einen Kreis verlässlicher Menschen gefunden. Mit diesen Vertrauten konnte ich die Höhen und Tiefen des Lehrerlebens bewältigen und gemeinsam neue Sichtweisen entwickeln. Ich habe immer wieder Aufmerksamkeit für andere aufgewendet. Mir hat es gutgetan; ich hoffe Ihnen/Euch auch. Mein Tipp: Haltet zusammen!
Lust an der Neugier und mutigem Experimentieren. Tatsächlich arbeite ich seit Ende 1987 in pädagogischen Feldern. Ich fürchte, es wäre mir langweilig geworden, wenn ich nicht ab und zu auch Neues erprobt hätte. Meine Neugierde auf Menschen und neue Situationen war mir dafür hilfreich. Im Laufe meiner Entwicklung konnte ich auch Abschied vom Perfektionismus nehmen. Es ist gut genug, wenn mehr als die Hälfte gelingt! Das gilt besonders in einem Feld, in dem viel vom jeweiligen Gegenüber, komplexen Rahmenbedingungen und auch den Gruppendynamiken abhängt.
Herzlichen Dank für die gemeinsame Zeit und ich wünsche Euch und Ihnen viel Freude, nachhaltige Erfolge und stabile Gesundheit!
Ich brauche keine Bücher zu lesen, um zu wissen, dass das Grundthema unseres Lebens Konflikte sind; all meine Clownereien entspringen dieser Erkenntnis.
Charlie Chaplin
1. Die Kunst, Konflikte wertzuschätzen und zu unterscheiden
Lange hatte ich die Vorstellung, die allgegenwärtigen Konflikte seien möglichst zu beseitigen, zu beenden und sowieso lösbar. Schließlich strengen sie an, strapazieren unsere Geduld und kosten oft viel Kraft, wenn wir sie auszuhalten versuchen, und sie stören nachhaltig das weit verbreitete Harmoniebedürfnis!
Inzwischen meine ich, dass es manchmal sogar geboten sein kann, Konflikt zu schüren und sich mit Ernst auseinander zu setzen. Dazu ist die Annahme hilfreich, dass Konflikt auch eine Funktion haben und eine Botschaft transportieren können: Hier ist eine Entwicklung oder Klärung notwendig!
Bild von einem streitenden Paar mit erhobenen Fingern und ärgerlichen Gesichtern (unsplash-Foto von Afif Ramdhasuma)
Es erscheint mir als hohe Kunst, zu erkennen, wann es besser ist, einen Konflikt auf sich beruhen zu lassen oder ihn aktiv zu schüren oder zumindest ausdrücklich zu benennen.
2. Die Kunst, einen Konflikt zu schüren
2.1 Entscheiden, dass dieser Konflikt den Einsatz lohnt
Nicht jeder Konflikt verdient unsere Aufmerksamkeit: Geht es um grundlegende Werte oder Prinzipien oder zeigt der Konflikt eine Herausforderung, die noch nicht geklärt ist?
Oder dient der Konflikt einer Gruppe oder einem Akteur, sich Aufmerksamkeit zu verschaffen oder auch, von einem offensichtlichen anderen wichtigen Thema abzulenken?
2.2 Sich ernsthaft und mit Einsatz auseinandersetzen und Konflikte moderieren
Ein konstruktiver Umgang mit Konflikten – ich neige inzwischen mit dem Autor Klaus Eidenschink zum Begriff „Konfliktmoderation“ – erfordert ernsthafte Auseinandersetzung, Einsatz von allen beteiligten Parteien und Risikobereitschaft. Es ist wichtig, die eigenen Argumente klar zu kommunizieren. Gleichzeitig hilft, offen für die Perspektiven oder auch Erkenntnisse anderer zu sein. Respekt ist der Schlüssel zum gelingenden Konflikt-Dialog.
2.3 Fehler im Denken und der Wahrnehmung kennen und anerkennen
Wir irren uns immer wieder und manchmal sogar systematisch. Daher gehört zu einer ersthaften Konfliktmoderation, auch damit zu rechnen und sich einzugestehen, wenn man sich getäuscht hat oder nur einen Teil der Wirklichkeiten erkannt hatte. Nach meiner Erfahrung ist dies eher der Regelfall als die Ausnahme!
Der Wissenschaftsjournalist Reto U. Schneider formuliert zwei Bedingungen für ein gutes Streitgespräch: (1) „Das eine ist, über Denkfehler Bescheid zu wissen. Bestimmte Trugschlüsse, die einem immer wieder begegnen, sollte man kennen. Zum Beispiel sehen wir Zusammenhänge, wo es keine gibt, überschätzen unser Wissen und sind überzeugt, dass unsere Meinungen das Resultat einer nüchternen Beurteilung von Fakten sind. Dabei ist es oft umgekehrt: Wir haben eine Meinung, lange bevor wir die Fakten kennen, und suchen uns im Nachhinein die passenden Fakten aus.“ Und (2) „Man muss akzeptieren, dass wohlmeinende, intelligente und anständige Menschen bei Themen, die einem wichtig sind, anderer Meinung sein können.“ (Quelle SZ-Interview vom 21.08.2023, siehe unten)
Niemand ist fehlerfrei. Es zeugt von gepflegter Selbstreflexion und starkem Selbstbewusstheit, wenn jemand seine Wahrnehmungsverzerrung oder seinen Irrtum zuzugeben kann. Dies schafft Raum für persönliches Wachstum, fördert das Vertrauen in der Diskussion und in die Konfliktkultur.
3. Die Kunst, einen Konflikt zu beruhigen
3.1 Unlösbare Konflikte erkennen
Nicht jeder Konflikt hat eine Lösung. Es ist wichtig zu erkennen, wenn eine Situation festgefahren ist und ein konstruktiver Dialog nicht mehr möglich erscheint. In solchen Fällen kann es besser sein, den Konflikt ruhen zu lassen, um weitere Eskalationen zu vermeiden.
3.2 Den Aufwand klug abwägen
Manchmal sind Konflikte einfach den Aufwand nicht wert. Wenn der Energie- und Zeitaufwand, um einen Konflikt zu moderieren, in keinem angemessenen Verhältnis zum erwarteten Nutzen steht, kann es klüger sein, sich zurückzuziehen und die eigenen Ressourcen (Aufmerksamkeit, Energie und Zeit) für wichtigere Angelegenheiten zu reservieren.
3.3 Die Regeln der Aufmerksamkeitsökonomie beachten
In einer Welt, in der Clickbait und hohe Quoten oft große Bedeutung haben, ist entscheidend, sich von der medialen Anheizung nicht mitreißen zu lassen. Ein Faktencheck sollte auf jeden Fall vor jeder Stellungnahme erfolgen: Sind die Quellen seriös und welche Absicht steckt hinter einer möglicherweise sensations- und gefühlsheischenden Berichterstattung?
Konfrontative Situation während einer Demonstration (unsplash-Foto von Jonathan Harrison)
4. Vier Impulse zum Wachstum mit guten Wünschen
4.1 Andere sehen manchmal klarer als wir selbst
Der erste Impuls kommt nochmals vom Autor Reto U. Schneider: „Ich habe gelernt, dass man all diese Täuschungen, Fehler und Illusionen wahnsinnig gut bei anderen erkennt – aber nicht bei sich selbst. Also versuche ich zu akzeptieren, dass andere gewisse Dinge an mir besser erkennen können als ich selbst.“
In der Kunst der Konflikte geht es um die Fähigkeit zur Unterscheidung, zum Durchschauen größerer Zusammenhänge, zur Selbstreflexion und zur empathischen Kommunikation.
4.2 Es gibt Hoffnung. Sie ist lernbar.
Der Internetpionier, Wired-Gründer und Zukunftsforscher Kevin Kelly rät dazu, unsere individuellen Lernkompetenzen zu kennen und auszubauen – und uns so Chancen zu eröffnen. Er ist überzeugt: „Optimismus ist kein Wesenszug, sondern eine Fähigkeit, die man lernen kann.“ (brandeins/Thema Zukunft üben; 40)
Indem wir diese Fähigkeiten üben und weiterentwickeln, fördern wir konstruktive Diskussionen, Problemlösungen, Streitgespräche und Konflikte. Wir lernen so, Konflikte besser zu moderieren.
4.3 Idealisierungen und Erwartungen zu begrenzen, reduziert den Harmoniestress
Drittens kann es hilfreich und entspannend sein, keine idealistisch überzogenen Erwartungen an sich und andere zu pflegen, sondern auch mal selbstironisch auf vermeintliche Gewissheiten, Angewohnheiten oder Erwartungen zu schauen.
Psychologische Beratungsstellen berichten regelmäßig, dass an Weihnachten und zwischen den Jahren ein ungewöhnlich hoher Beratungs- und Schlichtungsbedarf anfällt, weil aufgeladene Erwartungen und Idealisierungen auf die Realitäten treffen und Enttäuschungen entstehen können, ja werden.
Dies wünsche ich Ihnen ‑ für Ihr persönliches Wohlbefinden und für eine streitbare und tolerante Gesellschaft!
4.4 Advent behauptet, dass Gott kommt. Lassen wir Ratlosigkeit und Begrenztheit zu!
Als Theologe werde ich mir gerade wieder bewusst, dass die „Ankunft Gottes“ auch heißen könnte, unsere Begrenztheit, ja manchmal auch Ratlosigkeit wahrzunehmen und als Wahrnehmung zuzulassen. Das ist nicht immer „lustig“ und angenehm. Für Viele ist es allerdings eine grundlegende Wahrnehmung von der sie umgebenden Welt.
Sicher werden die nachfolgenden Handlungs- und Aushandlungsversuche zu heftigen Konflikten führen. – Dann ist das so und kann eine Aufgabe sein.
Quellen
EIDENSCHINK, Klaus: Die Kunst des Konflikts. Konflikte schüren und beruhigen lernen. Carl-Auer-Verlag. Heidelberg, 2023
„Optimismus kann man lernen.“ – Was wächst schneller – Probleme oder Lösungskompetenz? Interview mit Kevin Kelly von Christoph Koch. In: brandeins/Thema Zukunft üben (Nov. 2023); 40
persönliche Kompetenz (persönliche Bewusstheit, Selbstreflexivität, Lernbereitschaft, Kommunikations- und Konfliktfähigkeit und Glaubwürdigkeit)
ausgewiesene Fachkompetenz für die unterrichteten Fächer
pädagogische Kompetenz (Zielgerichtetheit des pädagogischen Verhaltens auf dem Hintergrund eines eigenen pädagogischen Konzeptes)
Zurecht werden Schulen kritisiert, wenn Unterricht nicht stattfindet oder statt dessen Chaos im Klassenraum herrscht.
Regelmäßig nehmen Medien sich der Themen Unterrichtsstörungen, fehlender Lernbereitschaft von Schüler-Gruppen und der Ohnmacht einzelner Lehrkräfte an. So zeigte das Magazin Panorama im Ersten Deutschen Fernsehen am 5. Juli 2007 erschreckende Ausschnitte aus Video-Clips, die im Internet über Youtube frei zugänglich waren. Zwischenzeitlich ist die Paorama-Sendung vom 5. Juli 2007 nicht mehr im Netz zugänglich. Das Manuskript der Panorama-Sendung steht aber weiter zur Verfügung und ist hier verlinkt.
Zusammenfassend einige Eindrücke zu solchen Szenen:
Es ist uangenehm laut im Klassenraum.
Die Persönlichkeitsrechte der Beteiligten werden in den ursprünglichen Videos missachtet, denn jeder Mensch hat ein Recht darauf, mitzubestimmen ob und wie man Filmaufnahmen von ihr/ihm machen darf. – Im von Panorama ausgestrahlten Video wurden die Gesichter aus diesen Gründen unkenntlich gemacht. – Viele Schulen ergänzen derzeit Ihre Schulordnungen und verbieten Aufzeichnungen vom Unterricht ohne Genehmigung noch einmal ganz ausdrücklich.
Die Schulordnung wird krass missachtet: Es wird durcheinander gesprochen, gepöbelt und geraucht. Jeder tut, was gerade einfällt.
Man kann Schülerinnen und Schüler dabei beobachten, wie sie jeden Unterricht unmöglich machen.
Man kann ohnmächtige oder teilnahmslose, das heißt wirkungslose Lehrer beobachten.
In diesem Chaos ist offensichtlich kein vernünftiges Lernen möglich.
Update: Inzwischen fällt mir auch die Beziehungslosigkeit zwischen allen Beteiligten auf.
Bemerkenswert finde ich dabei,
dass solche Filmausschnitte große Aufmerksamkeit bekamen (über 89.200 Klicks; Stand: 7.11.2008)
dass dieses Video unter „fun“ bei isnichwahr.de verlinkt ist, also als „lustig“ bewertet wird
dass die zuständigen Leitungen von Schulen und Schulaufsicht diese „Fälle“ herunterspielen und ausweichend reagieren
dass in diesem Video-Ausschnitt und der zugehörigen Kommentierung des Redakteurs und in einer Bemerkung des Psychologen Prof. Dr. U. Schaarschmidt der Eindruck nahe gelegt wird, dies sei der „Normalfall“. – Hier widerspreche ich energisch: In meinem Erfahrungsbereich sind solche Zustände absolut undenkbar! Allerdings kommen immer wieder Klassen-Situationen vor, in denen Kolleg/innen und ich entstehendes Chaos begrenzen und unterbinden müssen.
Auf eine so extreme Unterrichtsstörung muss man nachdrücklich reagieren!
Solche Situationen sind oft das Ende einer langen, mühsamen und erfolglosen Geschichte von Lehr-Lern-Bemühungen.
Ich behaupte: Szenen dieser Art sind nicht der Normalfall von Unterricht – auch nicht an den angeblich so „schwierigen“ Berufsschulen. (Ich unterrichte selbst an einem technischen Berufsschulzentrum in Freiburg und weiß, wovon ich schreibe!)
Andererseits kann ich mir aus meinen Erfahrungen als Lehrer-Coach gut vorstellen, wie sich solche Situationen im Laufe der Zeit bei einzelnen Lehrerinnen und Lehrern und einzelnen Klassen entwickeln und zuspitzen können.
Ist es erst einmal zu solch chaotischen Verhältnissen gekommen, ist Veränderung dringend notwendig. Allerdings ist ein Umgestaltung solcherart eskalierter Situationen mühsam.
Was kann eine Lehrkraft in einem solchen Umfeld tun?
Allein kommen Lehrpersonen in solchen Problem-Lagen nicht mehr weiter. Hier sind das Klassen-Lehrer-Kollegium, die Schulleitung und die Schulbehörde – als verantwortliche Leitungsinstanzen – gefordert.
Außerdem ist externe Hilfestellung von sozialpädagogischem und psychologischem Fachpersonal, besonders Schulsozialarbeitern gefragt. (Leider wird an dieser Stelle immer noch gespart. Es ist nach meiner Erfahrung und Bewertung eindeutig die falsche Stelle!)
Den betroffenen Lehrkräften ist dringend persönliche Hilfestellungen von Fachpersonen zu wünschen, denn solche Erlebnisse sind hoch belastend für die Betroffenen. Ein erster Schritt dazu kann kollegiale Beratung, eine Supervision, ein Coaching oder auch eine Gruppensupervision für Lehrkräfte sein.
Weitere Aspekte von möglichen Unterrichtstörungen:
Je größer Klassen sind, weil wieder „gespart“ wird, und je unterschiedlicher und/oder „schwieriger“ die Geschichte der einzelnen Schülerinnen und Schüler ist, um so wahrscheinlicher kann eine Klasse sich so entwickeln, dass Unterricht in diesem Rahmenbedingungen zumindest anstrengend, wenn nicht unmöglich wird.
Je weniger Eltern und andere Erziehungsinstanzen vor den Schulen erfolgreich waren, um so mehr Erziehungsarbeit bleibt den Lehrkräften – unter Beibehaltung Ihres inhaltlichen Unterrichtsauftrags.
Wenn Lehrkräfte in ihrer Rolle zunehmend verunsichert werden und zu diesem Themenbereich keine oder wenig kollegialer Austausch und wenig hilfreiche Fortbildungsangebote – auch Supervisionen oder Coaching – angeboten werden, reagieren Lehrerinnen und Lehrer auch wahrscheinlicher ungünstig, zum Beispiel eskalieren statt überlegt und entschieden zu korrigieren.
Manche Unterrichtsstörung ist auch ein Hinweis auf Veränderungsbedarf. Statt einzelne Personen (Schülerin, Schüler oder Lehrerin oder Lehrer) dafür verantwortlich zu machen, kann es auch sehr sinnvoll sein, nach dem „Aussagewert“ oder der Nachricht hinter der als „gestört“ wahrgenommenen Situation zu suchen. – Oft benötigen Betroffene, um dies sehen zu können, einigen Abstand und Entlastung. – Reflexionen in kollegialen Gesprächen, kollgialen Beratungen und auch Supervision/Coaching sind dazu hilfreich. Dazu zähle ich auch die zunehmende Heterogenisierung der Schülergruppen über kulturelle Vielfalt. (Zum Beispiel kommt es zu einem kulturellen Zusammenstoß, wenn arabisch-stämmige, junge Männer mit einer weiblichen Lehrkraft konfrontiert werden und lernen müssen, dass im westlich geprägten Deutschland auch Frauen mit Männern gleichberechtigte Leiterinnen von Unterricht oder Betrieben sein können. – Dazu fällt uns in der Lehrerschaft oft noch wenig ein!)
Manchmal sind Schüler*innen und Lehrkräfte geschockt und herausgefordert: Eine Person ist verstorben, kommt nicht mehr zum Unterricht. Wie kann man darauf angemessen reagieren? Was hilft in so einer Situation?
Ausnahmezustand
Ob durch Unfall, Krankheit oder Selbsttötung ausgelöst, die Reaktionen sind oft Erschütterung und Herausfallen aus dem Normalzustand. Oft herrscht Sprachlosigkeit – oder aber Dauer-Reden. Beides signalisiert den Ausnahmezustand.
Vier empfohlene Schritte
Hier beschreibe ich vier einfache und bewährte Schritte mit den betroffenen Gruppen, die ohne große methodische Vorbereitung durchführbar erscheinen.
1. Informationen sorgsam zusammentragen und Spektulatioonen verhindern
Manche Gruppen neigen zur stillen Lähmung, die anderen zum gebannten Dauergespräch. Zum Start der Gesprächs-Runde erscheint es darum hilfreich, die vorhandenen Informationen zu sammeln. Oft wird wild spekuliert, Halbwissen lädt zur Ausschmückung ein und der Boden der Realität wird schnell verlassen. Dieser einfache Schritt der Sammlung von tatsächlich verfügbaren Informationen hilft, den Kontakt mit der Realität zu wahren. Außerdem fällt es relativ leicht über Fakten zu sprechen, so dass auch stumm-gelähmte Personen möglicherweise wieder zu sprechen beginnen.
Als Moderator sehe ist hier meine Aufgabe darin, zum Sprechen aufzufordern, das Aussprechen-Lassen zu garantieren und immer wieder auf die Tatsachen zu achten und diese behutsam und doch deutlich von Vermutungen zu unterscheiden.
Es ist auch zu empfehlen, die Sozial-Media-Walze zu begrenzen und um eine zurückhaltende Nutzung der entsprechenden Plattformen zu bitten. Das kann auch die Trauerfamilie entlasten.
2. Reaktionen ausdrücken
Im nächsten Schritt fordere ich die Anwesenden auf, ihre ersten Reaktionen für sich selbst wahrzunehmen und dann für die anderen auszudrücken. Oft kommen dann Worte wie Überraschung, Schock, dann aber auch die Frage nach der Schuld und ob etwas getan hätte werden können, was nun leider unterlassen wurde. Manche Personen spüren auch so etwas wie Wut.
Als Moderator sehe ist hier meine Aufgabe darin, alle Gefühle, Gedanken und Ausdrücke zu schützen: Das wird so empfunden und darf so sein. Außerdem mache ich deutlich, dass ich von „Schuld“ in diesem Zusammenhang nichts halte. Hier versuche ich zu entlasten.
3. Bewältigungs-Rituale anbieten
Anknüpfend an die Wut-Äußerungen frage ich im nächsten Schritt, wie sich die Zurückgebliebenen vom Abwesenden verabschieden wollen. Wenn eine Beerdigung besucht werden kann, ist dies eine Möglichkeit. Es gibt noch andere – zum Beispiel:
gemeinsam zu einem Gottesdienstraum zu spazieren
einen Abschiedsbrief zu schreiben
selbst ein Bild zu malen
ein vorhandenes Foto heraus zu suchen
eine Beileidskarte an die Angehörigen zu schreiben
auch eine Sammlung kurzer Grüße an die Trauerfamilie kann passend und hilfreich sein
Als Moderator sehe ist hier meine Aufgabe darin, alle Ideen zuzulassen und die Kommentierungen weitgehend zu dämpfen: Jede und jeder darf den eigenen Weg des Abschieds für sich wählen. Oft entlasten solche Handlungen und schließen (wenigstens vorläufig) einen Trauerschritt ab.
4. Hilfsmöglichkeiten in Krisen-Zeiten sammeln
Unweigerlich stellen sich die Zurückgebliebenen die Frage, was mit Ihnen selbst ist, wenn Sie in eine Krise kommen. Besonders deutlich wird diese Frage nach einer Selbsttötung. Hier fordere ich die Anwesenden auf, eigene Möglichkeiten des Umgangs mit krisenhaften Zuständen zu überlegen und möglichst in der Gruppe auszutauschen.
Als Moderator sehe ist hier meine Aufgabe darin, zu Hilfsangeboten zu ermutigen und konkrete Möglichkeiten aufzuzeigen. So verweise ich selbst auf die Beratungslehrer/innen, Telefonseelsorge und auf psychosoziale Beratungsstellen.
Die moderierende Lehrkraft ist persönlich gefordert
Diese Situationen wünscht sich niemand. – Die eigene Betroffenheit und die Betroffenheit der Schülerinnen und Schüler und der Kolleg*innen können sich überlagern. Wichtig erscheint mir, dass die moderierende Person fähig bleibt, den Prozess zu steuern.
Dazu ist es sicher hilfreich, sich schon einmal mit diesem Thema vor dem akuten Fall auseinander gesetzt zu haben:
Welche Erfahrungen mit Leid und Tod habe ich selbst?
Welche Einstellung zu Leid und Tod habe ich entwickelt?
Kenne ich Hilfsangebote?
Welche Kolleg*innen können mich in solchen Situationen unterstützen?
Welche Material (z.B. Trauerkoffer) gibt es wo in meiner Schule?
Nein, ich werde in diesem Jahr keine Pause mit dem traditionellen Impulstext zum Start in den Advent einlegen.
Aktuell gibt es eine Vielzahl bedrückend-drängender Themen. Mit einigem Recht darf man sie Krisen nennen. Manche finden auch schon sprachliche Neubildungen wie „Polykrise“ dafür. Die mediale Aufbereitung kann überschwemmen und die Summe der Nachrichten mut- und kraftlos machen. An manchen Tagen habe ich mich auch schon entschieden, keine weiteren (Krieg-)Nachrichten aufzunehmen, um mein mentales Gleichgewicht zu bewahren.
Resignation und Mutlosigkeit sind für mich keine sinnvollen Optionen.
Allerdings werde ich älter. Dadurch konnte, wolle und musste ich lernen, sorgfältig auf meine Kräfte und Erholungsphasen zu achten. Tatsächlich war es in diesem Jahr eine Zeitlang unsicher, ob es diesen traditionellen Impulstext zum Start in den Advent 2022 auch dieses Jahr wieder geben würde.
Schlussendlich habe ich entschieden, genau diesen Bedarf nach Energie und Durchhaltevermögen zum Thema meines diesjährigen Impuls-Textes zu machen. Ich schreibe diese schließlich auch für mich selbst und suche dabei auch für mich Klarheit und Übersicht.
Unterbrechen wir die alltägliche Geschäftigkeit, nehmen wir uns Pausen!
Tatsächlich gehöre ich zu den Menschen, die gerne (und auch viel) arbeiten. Nur ist es sicher ungesund, dies rund um die Uhr zu versuchen.
Unterbrechungen, Distanzierungen und Perspektivenwechsel verhelfen häufig zu neuen Einsichten und fördern damit Qualität. Darum schätze ich Unterbrechungen und nehme mir dafür Zeit. Dafür muss man sich auch nicht das Rauchen angewöhnen. Bewusste Pausen und Verteidigung dieser zweckfreien Zeiten kann auch schon bedeutsam und wirkungsvoll sein.
In meinem Hauptberuf als Lehrkraft gibt es immer mal wieder die unangenehme Tendenz, „noch schnell in der Pause“ eine Absprache zu treffen oder etwas zu organisieren. Manchmal werden sogar Konferenzen in die „Pausenzeiten“ gelegt. Dann werde ich rebellisch. Ich verteidige meine wirkliche Pause und behaupte ‑ außer in Krisensituationen ist es möglich ‑ die Arbeit regelmäßig für Pausen zu unterbrechen.
Mit Abstand kann auch der Luxus eines Meinungswechsels möglich werden
Wer aus dem Trott und den täglichen und lieb gewonnenen Angewohnheiten und Annahmen heraustreten kann, findet neue Perspektiven und könnte auch seine Meinung ändern.
Die Änderung der eigenen Meinung braucht ein viel besseres Image.
Journalist und Autor Dirk von Gehlen
https://www.instagram.com/p/CeWOI8aKaM_/
Dirk von Gehlen regt mich regelmäßig zum Nachdenken an. In der durch die Mechanismen der interaktiven Medien-Kultur radikalisierten, öffentlichen Gesprächsatmosphäre klingt dieses Zitat für mich wie Balsam. Tatsächlich benötigen wir meiner Meinung nach nämlich mehr Nachdenklichkeit, Faktenorientierung und Beweglichkeit und weniger Lautstärke in den Lösungsversuchen oder Fundamentalismus zu wichtigen Fragen. Da hilft, sich selbst und sein Selbst-Marketing weniger wichtig zu nehmen als sachliche Argumente und sich inhaltlich beweglich zu halten.
Wer gewohnte Geschäftigkeiten unterbricht und sich eine Pause gönnt, gewinnt oft neue, wertvolle Perspektiven.
Der Herbst, Advent, Weihnacht und die Jahreswende bieten Gelegenheiten, sich Muße, Unterbrechungen, Pausen und Perspektivenwechsel zu gönnen. Ich wünsche Ihnen und mir, dass es gelingt, nachzusinnen, sich zu überprüfen, zu relativieren und eventuell Positionen oder Meinungen zu wechseln.
So wünsche ich Mut für Unterbrechungen, Erholung und Gesundheit und Zuversicht und einen guten Start in das neue Jahr 2023!
Weiterführende Quellen und Verweise
Ronja von WURMB-SEIBEL: Wie wir die Welt sehen. Was negative Nachrichten mit unserem Denken macht und wie wir uns davon befreien können. Kösel. München, 2. Aufl. 2022
In unterschiedlichen Arbeitsstellen, Arbeitsgruppen oder Teams habe ich in meinem bisherigen Arbeitsleben allermeist gute Erfahrungen mit einer gewollten und gepflegten Zusammenarbeit gemacht. Das nenne ich Kollegialität. In diesem Text möchte ich zur Erprobung kollegialer Arbeitsformen ermutigen. Meine Praxisbezüge und -beispiele beziehe ich dabei aus dem Lehrerberuf, den ich aktuell an einem beruflichen Schulzentrum in Freiburg ausübe. Sie können jedoch – so meine ich – ohne Probleme auf andere Bereiche übertragen werden.
Gemeinsam wirksam werden
Insbesondere in der Arbeit mit Gruppen oder der Leitung sind gemeinsame Eckpunkte und gegenseitige Unterstützung wesentlich und verstärken die Wirksamkeit.
Praxisbeispiel: Für die Leitung einer Klasse ist es offensichtlich nützlich, wenn die Lehrkräfte sich auf gemeinsame pädagogische Leitlinien verständigt haben und diese gemeinsam vertreten. Vom Einzelkämpfer*innen-Dasein möchte ich nachdrücklich abraten.
Gemeinsam angenehmer arbeiten
Bei Aufgaben mit kreativen Anteilen sind vielfältige Ideen und der Austausch derselben ohne Zweifel zielführend. Niemand muss das Rad neu erfinden und die Ideen zu teilen, kann vielfältig entlasten und macht die Arbeit angenehm.
Außerdem ist ein angenehmes Arbeitsklima stabilisierend. Humor und gemeinsames Lachen geht oft leichter zu mehreren und kann eine angenehme (Pausen-)Auszeit sein. (Für Sie getestet.)
Praxisbeispiel: Bei Unterrichts-Konzeptionen und Erstellung von Unterrichtsmaterial kann ein gemeinsames Brainstorming zu Beginn hilfreich sein. Man könnte sich arbeitsteilig bei der Ausarbeitung entlasten.
Gemeinsam widerstandsfähiger und gesünder bleiben
Wenn die Herausforderungen größer oder gar grenzwertig werden, ist ein kollegiales Umfeld und kollegiale Unterstützung wesentlich für
die Selbstreflexion in durch Sprechen
mentale Unterstützung
Suche nach mehr Lösungswegen
Praxisbeispiel: In vielen Gesprächen im Lehrer*innen-Zimmer werden anstrengende Situationen aus dem Unterricht kollegial nachbesprochen. Während des informellen Sprechens im wohlwollenden Rahmen wird den Vortragenden in der Regel schon ein wenig klarer erkennen, wo die Probleme liegen könnten. Durch die kollegiale Anteilnahme und Unterstützung – eventuell auch durch Anreicherung durch eigene Erfahrungen – werden alternative Verhaltensmöglichkeiten sichtbar.
Gemeinsam anspruchsvollere Aufgaben oder Konflikte bewältigen
Aus dem bisher formulierten ergibt sich für mich klar, dass für anspruchsvollere Aufgaben mehr als nur ein Kopf, eine Person, eine Idee oder eine naheliegende Handlungsmöglichkeit nötig sind. Gemeinsam kann eine höhere Qualität erreicht werden. Im Umgang mit Menschen kann die kollegiale Fallbesprechung, Feedback und oder auch kollegiale Kritik zur Professionalisierung führe.
Praxisbeispiel: Die Professionalisierung des informellen Austauschs – oft in Pausen – über herausfordernde und als problematisch erlebte Unterrichts-Situationen in einer Pädagogischen Fall-Besprechungsgruppe kann ich allen Lehrkräften nur empfehlen.
Das Geheimnis der Weihnacht besteht darin, dass wir auf unserer Suche nach dem Großen und Außerordentlichen auf das Unscheinbare und Kleine hingewiesen werden.
ein wunscherschöner Gedanke, leider ohne Quelle – hat jemand einen Hinweis?
Sinn entsteht immer dann, wenn Menschen das, was sie tun, mit dem in Verbindung bringen, was ihnen wichtig ist.
Viktor E. Frankl
Viele, immer dringlicher werdende Krisen
Im Herbst 2021 häufen und bündeln sich bei mir die Wahrnehmungen vielfältiger globaler Krisen und ich erkenne dabei eine wachsende Dramatik:
Biodiversität
Klima
Corona
Legitimation von Institutionen und auch Staaten
Hass-Äußerungen und Fake-News
Wachsende Ungerechtigkeit
Die Dringlichkeit wird übersehen und Lösungsschritte nur versprochen, statt umgesetzt.
Manche Krisen-Wahrnehmungen werden sicher durch die interaktivere und digital getriebene Kommunikation verstärkt, manchmal auch verzerrt oder verkürzt.
Dramatisch erscheint mir nicht nur die Vielzahl, sondern ich erkenne auch ein fatales Muster: Die Menschheit, die politischen Leitungen und auch wir Einzelnen haben offensichtlich größte Mühe, Auswirkungen komplexer Zusammenhänge über längere Zeit vorherzusehen, Handlungsmöglichkeiten abzuleiten und uns dann für die beste zu entscheiden. Auf langen Aushandlungswegen gehen häufig verbindliche Entscheidungen für konkrete Handlungen verloren. Stattdessen werden Meinungen und Ankündigungen veröffentlicht und der Medien-Circus zeigt sich beeindruckt, zufrieden, vielleicht sogar begeistert. Genau das beobachtete ich bei der Klimakonferenz in Glasgow: Wieder wurden konkrete Lösungs-Handlungen gescheut und dann vertagt.
Für Einzelne sind diese komplexen Herausforderungen unlösbar.
Leider habe ich weder für mich persönlich noch für größere Zusammenhänge Lösungen anzubieten.
Mir scheint, Einzelpersonen können das einfach auch nicht ändern. Die Lösung liegt wesentlich in politischen Weichenstellungen. So übe ich mich im gelassenen Ansprechen und Aushalten.
Verzweifeln ist keine Option
Andererseits: Verzweifeln ist keine Option für mich! Solange ich handlungsfähig bin, werde ich mich für ein sinnerfülltes Leben entscheiden wollen. – In diesem Zusammenhang hat mich Viktor E. Frankl – der Athlet der Bewältigung von Sinnkrisen – beeindruckt und darum zitiere ich Ihn hier zu Beginn dieses Textes.
Für mich ergeben sich daraus zwei Bereiche für meine Aufmerksamkeit:
1. Sinnvolles Handeln kann helfen – in der Krise und mir selbst
Das vor uns liegende, christliche Weihnachtsfest kann dazu ein Fingerzeig sein:
„Das Geheimnis der Weihnacht besteht darin, dass wir auf unserer Suche nach dem Großen und Außerordentlichen auf das Unscheinbare und Kleine hingewiesen werden.“ (unbekannter Autor)
Ich engagiere mich in ausgewählten Bereichen persönlich, achte auf meinen eigenen „ökologischen Fußabdruck“ und versuche meinen kleinen Einflussbereich sinnvoll zu nutzen. Gelegentlich engagiere ich mich auch politisch.
Handeln – auch im Kleinen – hilft mir, mit der oft ausweglos wahrgenommenen Situation klarzukommen und kann ich darum auch anderen weiterempfehlen.
Niemand ist zur „lebenslangen Pflege der Probleme“ verpflichtet. Dazu habe ich auf twitter am 3.02.21 einen Gedanken gefunden:
Bei guter Pflege halten hochwertige Probleme ein Leben lang.
2. Selbstfürsorge
Ich pflege sorgsam meine Fähigkeit, gesund zu bleiben, mich berühren zu lassen und dabei nicht in Sinn- oder Mutlosigkeit zu ertrinken. Fachsprachlich wird diese Fähigkeit als Resilienz bezeichnet.
Neulich habe ich auf twitter dazu einen weiteren Gedanken geschrieben:
Gute Wünsche
Von Herzen wünsche ich gute Adventszeit, sinnerfüllte Weihnacht, einen erholsamen Jahresausklang mit vielen aufbauenden Kontakten, stabile Gesundheit und einen zuversichtlichen Start ins neue Jahr mit mancher sinnvollen Handlung.
maiLab: Welle X: zur aktuellen, der vierten Welle und was jetzt zu tun ist
Schon sehr denkwürdig-verrückte Zeit, wenn die ursprünglichen Spaßmacher in den ernsten Ton wechseln (müssen), um das Notwendige zu sagen: DIE ANSTALT vom 7. Dezember 2021 zur zweiten Corona-Weihnachtsfeier.
Auf meinem Unterrichtsblog habe ich vier Hinweise für die strukturierte Vorbereitung auf das neue Schuljahr, einen möglichst gelingenden Start und den Weg zur Freude am Lernen (ja, das kann es geben) zusammengestellt.
Start- und Schluss-Punkte sind ja Gelegenheit für grundsätzliche Gedanken.
A) Legen Sie Ihre Ziele und günstige Wege dorthin fest und bedenken Sie die Fallen.
B) Schaffen Sie sich ein gutes Lernumfeld.
C) Entwickeln Sie ein Interesse und Freude am Lernen
D) Nutzen Sie die lange Zeit und finden Sie Freundinnen und Freunde.
Die langen Schultage und die manchmal herausfordernden Situationen sind auch Gelegenheiten, Menschen genauer kennen zu lernen und jene zu finden, mit denen Sie länger etwas zu tun haben wollen, also deren Freund*in Sie werden wollen.
Herzlich wünsche ich allen viel Freude und Anregungen im neuen Schuljahr und immer wieder viel Erfolg!
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