Übergänge kosten Kraft und eröffnen unvermutete Freiheiten durch innovative Exnovation

Wer nicht aufhören kann,
mit dem ist nichts anzufangen.

Dieser Motto-Gedanke stammt von Wolf Lotter in seinem Text „Der End-Effekt“; aus dem anderen Wirtschaftsmagazin brand eins 5/2006; zitiert nach: https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2006/ende/der-end-effekt (16.11.2024)

Mit diesem Text überdenke ich meinen eigenen Übergang in den Ruhestand. Ich gehe davon aus und wünsche mir, dass meine Überlegungen auch für andere Übergänge hilfreich und anregend sein können.

Der Eintritt in den Ruhestand ist ein markanter Einschnitt. Ich möchte Möglichkeiten offen halten und gestalten.

Über 37,5 Jahre habe ich mich leidenschaftlich in der Bildungsarbeit engagiert:

  • planen und koordinieren
  • viele Kontakte und Gespräche
  • fördern
  • mich weiterbilden und auf dem Laufenden halten
  • vorbereiten
  • Konzepte entwickeln. erproben und evaluieren
  • präsentieren und moderieren
  • später Unterricht entwickeln und vorbereiten
  • Fortbildung
  • Unterricht, Konferenzen, Fördergespräche, Elternkontakte
  • Notengebung
  • individuelle und kollegiale Reflexion
  • Mitarbeit an der Schulentwicklung

In meinem bisherigen Berufsleben war ein Kalender unverzichtbar.

Meist war mein Plan voll mit Projekten, Terminen und Verpflichtungen, reservierten Zeiten und To-Do-Listen.
Und aus der beruflichen Arbeit habe ich immer wieder eine tiefe Befriedigung gezogen, weil ich die eigene Arbeit als sinnvoll und notwendig erlebt habe.

Herausfordernde und anstrengende Belastungsspitzen gab es immer wieder, z.B. zu Prüfungszeiten und zum Anfang und zum Ende der Schuljahre.

typische Planung für Abitur-Korrekturen-Zeiten; NSA-sicher

Dann kam der Abschied in den Ruhestand, eine Zäsur. Ich hatte mich durch eine intensive Reflexion meiner beruflichen Tätigkeit und viele Gespräche gut vorbereitet. Ganz bewusst hatte ich keine neuen Projekte und Aufgaben für die Zeit nach dem Renteneintritt geplant.

Fast vier Jahrzehnte hatte ich engagiert und mit einem ausgeklügelten Plan gearbeitet und auch gelebt.

Als ich in Rente ging, wollte ich ausdrücklich keinen Plan haben. Ich wollte spüren, was kommen würde. Statt der von vielen geforderten Pläne wollte ich mir Zeit und den Luxus einer bewussten Pause und Unterbrechung gönnen:

  • Wie fühlt sich der neue Lebensabschnitt an?
  • Wo bringt die Ruhe neue Einsichten?
  • Wo bleibt der gewohnte Sinn und wo entsteht neuer?
  • Was zeigt sich noch?

Loslassen und Vermissen

Was ich schnell bemerkte: Vieles fehlt.

Es sind nicht nur die strukturierten Tage, Routinen und festen Aufgaben, die plötzlich wegfallen. Vielmehr fehlt mir das Selbstverständliche, das mein Leben jahrelang fast unbemerkt geprägt hat: die täglichen Kontakte, die spontanen Gespräche im Lehrerzimmer, die Begegnungen mit Schülerinnen und Schülern, die vielen zwischenmenschlichen Beziehungen, die mir eine tiefe Verankerung und Sicherheit gegeben haben.

Der Sinn, den ich in meinem Beruf gefunden habe, war immer unmittelbar da. Sie war Teil meiner Identität und oft spürbar bei Planungen, Begegnungen und nach vielen Unterrichtsstunden.

Die Wiederentdeckung von Langsamkeit und Muße

In der Unterbrechung, der Pause oder der Stille liegen auch neue Freiräume: Ich gönne mir bewusst ein langsameres Tempo und wieder mehr Zeit für meine Interessen. So kann ich mehr Zeit mit liebgewonnenen Tätigkeiten verbringen: ausschlafen, spazieren gehen, in Ruhe ein gutes Buch lesen oder Musik hören, einen fesselnden Podcast hören, meinen Gedanken nachhängen oder auch längere Gespräche führen.

Ein Tagebuch, daneben ein Füller und eine Kaffee-Tasse auf einem Holztisch

Diese Muße hat eine eigene Qualität, die ich für mich neu entdecke. Mit weniger Verpflichtungen öffnen sich Räume und Möglichkeiten für Tätigkeiten und Themen, die im früheren Berufsalltag oft zu kurz kamen.

Es macht mir wieder Freude, von Hand mein Tagebuch zu schreiben oder auch einen handgeschriebenen Brief zu verfassen, die Worte und Gedanken bewusst zu gestalten und mit Bedacht zu formulieren.

Momente des Innehaltens sind kostbar. Die Eile, mit der ich den vielfältigen Berufsalltag bewältigt habe, kann einer tieferen Ruhe weichen.

Politische Partizipation und gesellschaftliches Engagement

Und dann ist da noch das Gefühl der Zugehörigkeit und der gesellschaftlichen Mitverantwortung. Das ist geblieben. In der Bildungsarbeit war mein Engagement immer auch politisch. Ich wollte die Gesellschaft positiv gestalten. Ich wollte junge Menschen zur Auseinandersetzung mit ihren Werten herausfordern und mit ihnen gemeinsam Wissen über ein gelingendes Zusammenleben entwickeln.

Mein Beruf steht nicht mehr im Vordergrund. Mein politisches Engagement – im weiteren Sinne – empfinde ich nach wie vor als Impuls: Ich reserviere mir immer wieder bewusst eine begrenzte Zeit, um mich zu informieren, mich zu Wort zu melden und mich einzubringen. In gewisser Weise ist das eine Fortsetzung einer meiner beruflichen Motivationen, nur in anderer Form.

Neues zu entdecken und zu entwickeln kostet Energie.

Ursprünglich hatte ich erwartet, dass mit dem Ende meiner langjährigen Berufstätigkeit sofort Ruhe und Entspannung einkehren würden.

Da war ich wohl einer naiven Illusion aufgesessen. Die selbstgewählte Offenheit auszuhalten, die neue Tagesstruktur und für mich passende Routinen zu entwickeln, forderte meine Aufmerksamkeit und Kraft

Vermutlich sind diese Anstrengungen vergleichbar mit denen, die eine neue berufliche Rolle oder ein neues politisches Amt mit sich bringen. Nicht umsonst hat es sich eingebürgert, neuen Amtsträgern in Politik und Verwaltungsleitungen eine Schonfrist von 100 Tagen einzuräumen.

Zwischen Vergangenheit und vielen neuen Möglichkeiten

Übergänge, Abschiede und Neuanfänge stehen in einem interessanten Spannungsverhältnis.

Auf der einen Seite stehen vermutlich Verlusterfahrungen.

In meinem Fall fallen folgende Punkte weg:

  • selbstverständliche, vielfältige Kontakte zu anderen Menschen
  • bedeutungsvolle, berufliche Rollen
  • Sinnerfahrungen
  • ein selbstverständlicher Tagesrhythmus
  • täglich unvorhersehbare Herausforderungen
    (da ich mit Gruppen und Menschen gearbeitet habe)

Andererseits eröffnete mir die neue Situation auch Freiheiten und viele Möglichkeiten, die ich zu schätzen lernte.

Die Herausforderung besteht wohl darin, Altes zu verabschieden und Neues bewusst und mit offenem Herzen aufzunehmen und weiterzuentwickeln

Dazwischen lebe ich gerade. Persönlich habe ich der spürbaren Einladung widerstanden, die ungewohnt offene Situation am Ende einer langen, planorientierten Lebensphase wieder mit neuen Plänen und Projekten zu gestalten.

Ich fühle den Luxus, mir dafür Zeit zu nehmen. Ich bin gespannt, was mir diese Reise noch bringen wird, welche Menschen, Themen und Räume ich noch – vielleicht auch überraschend – finden werde und wie ich meine Aufgaben immer wieder neu definieren werde.

Andere Menschen ziehen es vor, nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben und dem Eintritt in den „Ruhestand“ konkrete Pläne und Projekte zu haben, z.B. eine längere Reise, eine Teilzeitbeschäftigung, ein neues, bereits organisiertes gesellschaftliches Engagement in einem Ehrenamt etc.

Zur Zeit überlege ich, ob die bisherigen Routinen noch passen und weitergeführt oder beendet werden sollen.

Kleiner Theorieimpuls: Unterlassen ist notwendig für Entwicklung, ein Lob der „EXnovation“

In der Literatur und Theoriebildung gibt es einen Gegenpol zur INnovation: die EXnovation. Dahinter steht die Erfahrung, dass das Aufhäufen von immer mehr Zielen und Aufgaben auf Dauer nicht leistbar sind und auch krank machen.

„Es braucht mehr Bereitschaft zur Exnovation, der Kehrseite von Innovation. Das Festhalten an gewohnten Denkweisen, Handlungsmuster, Strategien verstellen den Raum für wirklich Neues.
Solange ich die Luft anhalte, kann ich nicht einatmen.“

Prof. Dr. Klaus Gourgé, Professor FWR, Leitung MBA Zukunftstrends und Nachhaltiges Management;
zitiert aus der Mitgliederzeitschrift der DGSv, Journal Supervision 1/2024; 14

Für Neues benötigen wir Zeit und Energie.
Diese notwendigen Ressourcen werden in der Regel durch das Unterlassen bisheriger Gewohnheiten und Abläufe frei. („Höre immer wieder mit ausgewähltem Blödsinn auf!“)

Darüber habe ich schon früher geschrieben und in letzter Zeit finde ich immer mehr kluge Texte dazu.
(Links zur Vertiefung siehe unten unter „Weiterführende und vertiefende Hinweise“).

In diesem Jahr beende ich den langjährigen Versand von gedruckten Adventskarten

Fast zwei Jahrzehnte lang habe ich über 100 Adventskarten verschickt, im letzten Jahr etwa 200.
Es hat mir Freude gemacht, sie zu entwerfen, zu planen und herzustellen.

Gönnen wir uns Muße, Pausen und - immer wieder auch - Meinungswechsel.
Meine Adventskarte von 2022

In diesem Jahr habe ich beschlossen, mich von dieser Routine zu verabschieden.

Meine Gedanken zum diesjährigen „Neubeginn“ – und das ist ja das religiöse Thema von „Advent“ – werden deshalb nur hier in diesem Blogtext zum ersten Adventssonntag veröffentlicht.

Alles Gute zum Advent, zu Weihnachten und zum neuen Jahr!

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern:

eine möglichst gelingende Advents- und Weihnachtszeit,

einige Inseln der Ruhe,

gutes Essen

und gelingende Feste,

Muße,

Nachdenklichkeit,

Erholung

und frische und ausreichend Kraft für die Herausforderungen im neuen Kalenderjahr.

Foto von Valentina Ivanova auf Unsplash
Foto von Valentina Ivanova via

Einladung zur Selbstreflexion, zum aktiven Verlernen von Überholtem und zur Diskussion

Diese zum Teil privaten Gedanken habe ich hier aufgeschrieben und geteilt, um andere zur Selbstreflexion anzuregen und einzuladen.

Über Kommentare unter diesem Text oder Rückmeldungen auf anderen Wegen freue ich mich.

Weiterführende und vertiefende Hinweise

Entwickelt im November 2024, zuletzt bearbeitet am 30.11.2024/17.17 h      zur druckerfreundlichen Ansicht zur druckerfreundlichen Ansicht

Meine Anliegen und Angebote: Ich rege an, entwickle, vernetze und coache/supervidiere.

ultra-kurz

Als DGSv-zertifizierter Coach/Supervisor und Fortbildner unterstütze ich sozial, lehrend und leitend Handelnde, Ihre Aufgaben erfolgreich, zufrieden, mit Qualität und anhaltend gesund auszuüben.

stichwortartig

  • höre professionell zu
  • suche/finde Verbindendes
  • lerne gerne und fortwährend
  • unterstütze gerne andere beim selbstbestimmten Lernen
  • rege an: zu
    > Verständnis
    > Klärung und Klarheit
    > Zusammenarbeit
    > praktikablen Lösungen
    > Perspektiven-Vielfalt
    > Probe-Handlungen

pragmatischer Impuls

Mit hilfreichen Gewohnheiten anzufangen,
ist ein guter Anfang

und aufzuhören
mit Ablenkungen, Abwertungen, Hass
und anderen sich selbst und andere zerstörenden Verhaltensweisen.

ausführlicher formuliert

Mehr Möglichkeiten (er-)finden, Verbindendes wahrnehmen, ermöglichen, anreichern, reflektieren, entscheiden und gut leben, wirksam (zusammen-)arbeiten, (sich) verstehen, entwickeln, wagen und erproben.

[Mehr lese Sie gerne hier, ausführlich formuliert.]

zuletzt bearbeitet am 19.11.2024/10:05 h      zur druckerfreundlichen Ansicht zur druckerfreundlichen Ansicht

Kunstvoll mit Konflikten leben

Ich brauche keine Bücher zu lesen, um zu wissen,
dass das Grundthema unseres Lebens Konflikte sind;
all meine Clownereien entspringen dieser Erkenntnis.

Charlie Chaplin

1. Die Kunst, Konflikte wertzuschätzen und zu unterscheiden

Lange hatte ich die Vorstellung, die allgegenwärtigen Konflikte seien möglichst zu beseitigen, zu beenden und sowieso lösbar.
Schließlich strengen sie an, strapazieren unsere Geduld und kosten oft viel Kraft, wenn wir sie auszuhalten versuchen, und sie stören nachhaltig das weit verbreitete Harmoniebedürfnis!

Inzwischen meine ich, dass es manchmal sogar geboten sein kann, Konflikt zu schüren und sich mit Ernst auseinander zu setzen. Dazu ist die Annahme hilfreich, dass Konflikt auch eine Funktion haben und eine Botschaft transportieren können: Hier ist eine Entwicklung oder Klärung notwendig!

Bild von einem streitenden Paar mit erhobenen Fingern und ärgerlichen Gesichtern

Bild von einem streitenden Paar mit erhobenen Fingern und ärgerlichen Gesichtern
(unsplash-Foto von Afif Ramdhasuma)

Es erscheint mir als hohe Kunst, zu erkennen, wann es besser ist, einen Konflikt auf sich beruhen zu lassen oder ihn aktiv zu schüren oder zumindest ausdrücklich zu benennen.

2. Die Kunst, einen Konflikt zu schüren

2.1 Entscheiden, dass dieser Konflikt den Einsatz lohnt

Nicht jeder Konflikt verdient unsere Aufmerksamkeit: Geht es um grundlegende Werte oder Prinzipien oder zeigt der Konflikt eine Herausforderung, die noch nicht geklärt ist?

Oder dient der Konflikt einer Gruppe oder einem Akteur, sich Aufmerksamkeit zu verschaffen oder auch, von einem offensichtlichen anderen wichtigen Thema abzulenken?

2.2 Sich ernsthaft und mit Einsatz auseinandersetzen und Konflikte moderieren

Ein konstruktiver Umgang mit Konflikten – ich neige inzwischen mit dem Autor Klaus Eidenschink zum Begriff „Konfliktmoderation“ – erfordert ernsthafte Auseinandersetzung, Einsatz von allen beteiligten Parteien und Risikobereitschaft. Es ist wichtig, die eigenen Argumente klar zu kommunizieren. Gleichzeitig hilft, offen für die Perspektiven oder auch Erkenntnisse anderer zu sein. Respekt ist der Schlüssel zum gelingenden Konflikt-Dialog.

2.3 Fehler im Denken und der Wahrnehmung kennen und anerkennen

Wir irren uns immer wieder und manchmal sogar systematisch. Daher gehört zu einer ersthaften Konfliktmoderation, auch damit zu rechnen und sich einzugestehen, wenn man sich getäuscht hat oder nur einen Teil der Wirklichkeiten erkannt hatte. Nach meiner Erfahrung ist dies eher der Regelfall als die Ausnahme!

Der Wissenschaftsjournalist Reto U. Schneider formuliert zwei Bedingungen für ein gutes Streitgespräch:
(1) „Das eine ist, über Denkfehler Bescheid zu wissen. Bestimmte Trugschlüsse, die einem immer wieder begegnen, sollte man kennen. Zum Beispiel sehen wir Zusammenhänge, wo es keine gibt, überschätzen unser Wissen und sind überzeugt, dass unsere Meinungen das Resultat einer nüchternen Beurteilung von Fakten sind. Dabei ist es oft umgekehrt: Wir haben eine Meinung, lange bevor wir die Fakten kennen, und suchen uns im Nachhinein die passenden Fakten aus.“ Und
(2) „Man muss akzeptieren, dass wohlmeinende, intelligente und anständige Menschen bei Themen, die einem wichtig sind, anderer Meinung sein können.“
(Quelle SZ-Interview vom 21.08.2023, siehe unten)

Niemand ist fehlerfrei. Es zeugt von gepflegter Selbstreflexion und starkem Selbstbewusstheit, wenn jemand seine Wahrnehmungsverzerrung oder seinen Irrtum zuzugeben kann. Dies schafft Raum für persönliches Wachstum, fördert das Vertrauen in der Diskussion und in die Konfliktkultur.

3. Die Kunst, einen Konflikt zu beruhigen

3.1 Unlösbare Konflikte erkennen

Nicht jeder Konflikt hat eine Lösung. Es ist wichtig zu erkennen, wenn eine Situation festgefahren ist und ein konstruktiver Dialog nicht mehr möglich erscheint. In solchen Fällen kann es besser sein, den Konflikt ruhen zu lassen, um weitere Eskalationen zu vermeiden.

3.2 Den Aufwand klug abwägen

Manchmal sind Konflikte einfach den Aufwand nicht wert. Wenn der Energie- und Zeitaufwand, um einen Konflikt zu moderieren, in keinem angemessenen Verhältnis zum erwarteten Nutzen steht, kann es klüger sein, sich zurückzuziehen und die eigenen Ressourcen (Aufmerksamkeit, Energie und Zeit) für wichtigere Angelegenheiten zu reservieren.

3.3 Die Regeln der Aufmerksamkeitsökonomie beachten

In einer Welt, in der Clickbait und hohe Quoten oft große Bedeutung haben, ist entscheidend, sich von der medialen Anheizung nicht mitreißen zu lassen. Ein Faktencheck sollte auf jeden Fall vor jeder Stellungnahme erfolgen: Sind die Quellen seriös und welche Absicht steckt hinter einer möglicherweise sensations- und gefühlsheischenden Berichterstattung?

Konfrontative Situation während einer Demonstration

Konfrontative Situation während einer Demonstration (unsplash-Foto von Jonathan Harrison)

4. Vier Impulse zum Wachstum mit guten Wünschen

4.1 Andere sehen manchmal klarer als wir selbst

Der erste Impuls kommt nochmals vom Autor Reto U. Schneider:
„Ich habe gelernt, dass man all diese Täuschungen, Fehler und Illusionen wahnsinnig gut bei anderen erkennt – aber nicht bei sich selbst. Also versuche ich zu akzeptieren, dass andere gewisse Dinge an mir besser erkennen können als ich selbst.“

In der Kunst der Konflikte geht es um die Fähigkeit zur Unterscheidung, zum Durchschauen größerer Zusammenhänge, zur Selbstreflexion und zur empathischen Kommunikation.

4.2 Es gibt Hoffnung. Sie ist lernbar.

Der Internetpionier, Wired-Gründer und Zukunftsforscher Kevin Kelly rät dazu, unsere individuellen Lernkompetenzen zu kennen und auszubauen – und uns so Chancen zu eröffnen. Er ist überzeugt:
„Optimismus ist kein Wesenszug, sondern eine Fähigkeit, die man lernen kann.“
(brandeins/Thema Zukunft üben; 40)

Indem wir diese Fähigkeiten üben und weiterentwickeln, fördern wir konstruktive Diskussionen, Problemlösungen, Streitgespräche und Konflikte. Wir lernen so, Konflikte besser zu moderieren.

4.3 Idealisierungen und Erwartungen zu begrenzen, reduziert den Harmoniestress

Drittens kann es hilfreich und entspannend sein, keine idealistisch überzogenen Erwartungen an sich und andere zu pflegen, sondern auch mal selbstironisch auf vermeintliche Gewissheiten, Angewohnheiten oder Erwartungen zu schauen.

Psychologische Beratungsstellen berichten regelmäßig, dass an Weihnachten und zwischen den Jahren ein ungewöhnlich hoher Beratungs- und Schlichtungsbedarf anfällt, weil aufgeladene Erwartungen und Idealisierungen auf die Realitäten treffen und Enttäuschungen entstehen können, ja werden.

Dies wünsche ich Ihnen ‑ für Ihr persönliches Wohlbefinden und für eine streitbare und tolerante Gesellschaft!

4.4 Advent behauptet, dass Gott kommt. Lassen wir Ratlosigkeit und Begrenztheit zu!

Als Theologe werde ich mir gerade wieder bewusst, dass die „Ankunft Gottes“ auch heißen könnte, unsere Begrenztheit, ja manchmal auch Ratlosigkeit wahrzunehmen und als Wahrnehmung zuzulassen.
Das ist nicht immer „lustig“ und angenehm. Für Viele ist es allerdings eine grundlegende Wahrnehmung von der sie umgebenden Welt.

Sicher werden die nachfolgenden Handlungs- und Aushandlungsversuche zu heftigen Konflikten führen. – Dann ist das so und kann eine Aufgabe sein.

Quellen

Weitere Hinweise

Gerne verweise ich auf frühere Blogbeiträge:

Dieser Text wurde im Oktober und November 2023 entwickelt,
zuletzt geändert am 24.01.2024 /18:50 h     zur druckerfreundlichen Ansicht zur druckerfreundlichen Ansicht

Unterbrechungen und Pausen sind wesentlich.

Gönnen wir uns Muße, Pausen und - immer wieder auch - Meinungswechsel.

Nein, ich werde in diesem Jahr keine Pause mit dem traditionellen Impulstext zum Start in den Advent einlegen.

Aktuell gibt es eine Vielzahl bedrückend-drängender Themen. Mit einigem Recht darf man sie Krisen nennen. Manche finden auch schon sprachliche Neubildungen wie „Polykrise“ dafür. Die mediale Aufbereitung kann überschwemmen und die Summe der Nachrichten mut- und kraftlos machen. An manchen Tagen habe ich mich auch schon entschieden, keine weiteren (Krieg-)Nachrichten aufzunehmen, um mein mentales Gleichgewicht zu bewahren.

Resignation und Mutlosigkeit sind für mich keine sinnvollen Optionen.

Allerdings werde ich älter. Dadurch konnte, wolle und musste ich lernen, sorgfältig auf meine Kräfte und Erholungsphasen zu achten. Tatsächlich war es in diesem Jahr eine Zeitlang unsicher, ob es diesen traditionellen Impulstext zum Start in den Advent 2022 auch dieses Jahr wieder geben würde.

Schlussendlich habe ich entschieden, genau diesen Bedarf nach Energie und Durchhalte­ver­mögen zum Thema meines diesjährigen Impuls-Textes zu machen. Ich schreibe diese schließlich auch für mich selbst und suche dabei auch für mich Klarheit und Übersicht.

Unterbrechen wir die alltägliche Geschäftigkeit, nehmen wir uns Pausen!

Tatsächlich gehöre ich zu den Menschen, die gerne (und auch viel) arbeiten. Nur ist es sicher ungesund, dies rund um die Uhr zu versuchen.

Unterbrechungen, Distanzierungen und Perspektivenwechsel verhelfen häufig zu neuen Einsichten und fördern damit Qualität. Darum schätze ich Unterbrechungen und nehme mir dafür Zeit. Dafür muss man sich auch nicht das Rauchen angewöhnen. Bewusste Pausen und Verteidigung dieser zweckfreien Zeiten kann auch schon bedeutsam und wirkungsvoll sein.

In meinem Hauptberuf als Lehrkraft gibt es immer mal wieder die unangenehme Tendenz, „noch schnell in der Pause“ eine Absprache zu treffen oder etwas zu organisieren. Manchmal werden sogar Konferenzen in die „Pausenzeiten“ gelegt. Dann werde ich rebellisch. Ich verteidige meine wirkliche Pause und behaupte ‑ außer in Krisensituationen ist es möglich ‑ die Arbeit regelmäßig für Pausen zu unterbrechen.

Mit Abstand kann auch der Luxus eines Meinungswechsels möglich werden

Wer aus dem Trott und den täglichen und lieb gewonnenen Angewohnheiten und Annahmen heraustreten kann, findet neue Perspektiven und könnte auch seine Meinung ändern.

Die Änderung
der eigenen Meinung braucht
ein viel besseres Image.

Journalist und Autor Dirk von Gehlen

https://www.instagram.com/p/CeWOI8aKaM_/

Dirk von Gehlen regt mich regelmäßig zum Nachdenken an. In der durch die Mechanismen der interaktiven Medien-Kultur radikalisierten, öffentlichen Gesprächsatmosphäre klingt dieses Zitat für mich wie Balsam. Tatsächlich benötigen wir meiner Meinung nach nämlich mehr Nachdenklichkeit, Faktenorientierung und Beweglichkeit und weniger Lautstärke in den Lösungsversuchen oder Fundamentalismus zu wichtigen Fragen. Da hilft, sich selbst und sein Selbst-Marketing weniger wichtig zu nehmen als sachliche Argumente und sich inhaltlich beweglich zu halten.

Wer gewohnte Geschäftigkeiten unterbricht und sich eine Pause gönnt, gewinnt oft neue, wertvolle Perspektiven.

Der Herbst, Advent, Weihnacht und die Jahreswende bieten Gelegenheiten, sich Muße, Unterbrechungen, Pausen und Perspektivenwechsel zu gönnen. Ich wünsche Ihnen und mir, dass es gelingt, nachzusinnen, sich zu überprüfen, zu relativieren und eventuell Positionen oder Meinungen zu wechseln.

So wünsche ich Mut für Unterbrechungen, Erholung
und Gesundheit und Zuversicht und einen guten Start in das neue Jahr 2023!

Weiterführende Quellen und Verweise

zuletzt um einen Gehlen-Link ergänzt am 14.03.2024      zur druckerfreundlichen Ansicht zur druckerfreundlichen Ansicht

Kollegialer Arbeitsstil hilft Professionals

In unterschiedlichen Arbeitsstellen, Arbeitsgruppen oder Teams habe ich in meinem bisherigen Arbeitsleben allermeist gute Erfahrungen mit einer gewollten und gepflegten Zusammenarbeit gemacht. Das nenne ich Kollegialität.
In diesem Text möchte ich zur Erprobung kollegialer Arbeitsformen ermutigen.
Meine Praxisbezüge und -beispiele beziehe ich dabei aus dem Lehrerberuf, den ich aktuell an einem beruflichen Schulzentrum in Freiburg ausübe. Sie können jedoch – so meine ich – ohne Probleme auf andere Bereiche übertragen werden.

Gemeinsam wirksam werden

Insbesondere in der Arbeit mit Gruppen oder der Leitung sind gemeinsame Eckpunkte und gegenseitige Unterstützung wesentlich und verstärken die Wirksamkeit.

Praxisbeispiel: Für die Leitung einer Klasse ist es offensichtlich nützlich, wenn die Lehrkräfte sich auf gemeinsame pädagogische Leitlinien verständigt haben und diese gemeinsam vertreten. Vom Einzelkämpfer*innen-Dasein möchte ich nachdrücklich abraten.

Gemeinsam angenehmer arbeiten

Bei Aufgaben mit kreativen Anteilen sind vielfältige Ideen und der Austausch derselben ohne Zweifel zielführend. Niemand muss das Rad neu erfinden und die Ideen zu teilen, kann vielfältig entlasten und macht die Arbeit angenehm.

Außerdem ist ein angenehmes Arbeitsklima stabilisierend. Humor und gemeinsames Lachen geht oft leichter zu mehreren und kann eine angenehme (Pausen-)Auszeit sein. (Für Sie getestet.)

Praxisbeispiel: Bei Unterrichts-Konzeptionen und Erstellung von Unterrichtsmaterial kann ein gemeinsames Brainstorming zu Beginn hilfreich sein. Man könnte sich arbeitsteilig bei der Ausarbeitung entlasten.

Gemeinsam widerstandsfähiger und gesünder bleiben

Wenn die Herausforderungen größer oder gar grenzwertig werden, ist ein kollegiales Umfeld und kollegiale Unterstützung wesentlich für

  • die Selbstreflexion in durch Sprechen
  • mentale Unterstützung
  • Suche nach mehr Lösungswegen

Praxisbeispiel: In vielen Gesprächen im Lehrer*innen-Zimmer werden anstrengende Situationen aus dem Unterricht kollegial nachbesprochen. Während des informellen Sprechens im wohlwollenden Rahmen wird den Vortragenden in der Regel schon ein wenig klarer erkennen, wo die Probleme liegen könnten. Durch die kollegiale Anteilnahme und Unterstützung – eventuell auch durch Anreicherung durch eigene Erfahrungen – werden alternative Verhaltensmöglichkeiten sichtbar.

Gemeinsam anspruchsvollere Aufgaben oder Konflikte bewältigen

Aus dem bisher formulierten ergibt sich für mich klar, dass für anspruchsvollere Aufgaben mehr als nur ein Kopf, eine Person, eine Idee oder eine naheliegende Handlungsmöglichkeit nötig sind. Gemeinsam kann eine höhere Qualität erreicht werden. Im Umgang mit Menschen kann die kollegiale Fallbesprechung, Feedback und oder auch kollegiale Kritik zur Professionalisierung führe.

Praxisbeispiel: Die Professionalisierung des informellen Austauschs – oft in Pausen – über herausfordernde und als problematisch erlebte Unterrichts-Situationen in einer Pädagogischen Fall-Besprechungsgruppe kann ich allen Lehrkräften nur empfehlen.

zuletzt leicht bearbeitet am 10.04.2022/19:46 Uhr zur druckerfreundlichen Ansicht zur druckerfreundlichen Ansicht

Entscheiden Sie sich für Ihre zuversichtliche Resilienz

Sinn entsteht immer dann,
wenn Menschen das, was sie tun,
mit dem in Verbindung bringen,
was ihnen wichtig ist.

Viktor E. Frankl

Viele, immer dringlicher werdende Krisen

Im Herbst 2021 häufen und bündeln sich bei mir die Wahrnehmungen vielfältiger globaler Krisen und ich erkenne dabei eine wachsende Dramatik:

  • Biodiversität
  • Klima
  • Corona
  • Legitimation von Institutionen und auch Staaten
  • Hass-Äußerungen und Fake-News
  • Wachsende Ungerechtigkeit

Die Dringlichkeit wird übersehen und Lösungsschritte nur versprochen, statt umgesetzt.

Manche Krisen-Wahrnehmungen werden sicher durch die interaktivere und digital getriebene Kommunikation verstärkt, manchmal auch verzerrt oder verkürzt.

Dramatisch erscheint mir nicht nur die Vielzahl, sondern ich erkenne auch ein fatales Muster: Die Menschheit, die politischen Leitungen und auch wir Einzelnen haben offensichtlich größte Mühe, Auswirkungen komplexer Zusammenhänge über längere Zeit vorherzusehen, Handlungsmöglichkeiten abzuleiten und uns dann für die beste zu entscheiden.
Auf langen Aushandlungswegen gehen häufig verbindliche Entscheidungen für konkrete Handlungen verloren. Stattdessen werden Meinungen und Ankündigungen veröffentlicht und der Medien-Circus zeigt sich beeindruckt, zufrieden, vielleicht sogar begeistert. Genau das beobachtete ich bei der Klimakonferenz in Glasgow: Wieder wurden konkrete Lösungs-Handlungen gescheut und dann vertagt.

Für Einzelne sind diese komplexen Herausforderungen unlösbar.

Leider habe ich weder für mich persönlich noch für größere Zusammenhänge Lösungen anzubieten.

Mir scheint, Einzelpersonen können das einfach auch nicht ändern. Die Lösung liegt wesentlich in politischen Weichenstellungen.
So übe ich mich im gelassenen Ansprechen und Aushalten.

Verzweifeln ist keine Option

Andererseits: Verzweifeln ist keine Option für mich! Solange ich handlungsfähig bin, werde ich mich für ein sinnerfülltes Leben entscheiden wollen. – In diesem Zusammenhang hat mich Viktor E. Frankl – der Athlet der Bewältigung von Sinnkrisen – beeindruckt und darum zitiere ich Ihn hier zu Beginn dieses Textes.

Für mich ergeben sich daraus zwei Bereiche für meine Aufmerksamkeit:

1. Sinnvolles Handeln kann helfen – in der Krise und mir selbst

Das vor uns liegende, christliche Weihnachtsfest kann dazu ein Fingerzeig sein:

„Das Geheimnis der Weihnacht besteht darin,
dass wir auf unserer Suche nach dem Großen und Außerordentlichen
auf das Unscheinbare und Kleine hingewiesen werden.“ (unbekannter Autor)

Ich engagiere mich in ausgewählten Bereichen persönlich, achte auf meinen eigenen „ökologischen Fußabdruck“ und versuche meinen kleinen Einflussbereich sinnvoll zu nutzen.
Gelegentlich engagiere ich mich auch politisch.

Handeln – auch im Kleinen – hilft mir, mit der oft ausweglos wahrgenommenen Situation klarzukommen und kann ich darum auch anderen weiterempfehlen.

Niemand ist zur „lebenslangen Pflege der Probleme“ verpflichtet.
Dazu hatte ich auf twitter am 3.02.21 einen Gedanken gefunden:

Bei guter Pflege halten hochwertige Probleme ein Leben lang.

2. Selbstfürsorge

Ich pflege sorgsam meine Fähigkeit, gesund zu bleiben, mich berühren zu lassen und dabei nicht in Sinn- oder Mutlosigkeit zu ertrinken. Fachsprachlich wird diese Fähigkeit als Resilienz bezeichnet.

Dazu hatte ich letztes Jahr geschrieben: Bitte sorgen Sie für sich, Lichtblicke und Gelassenheit (28.11.2020)

Neulich habe ich auf twitter dazu einen weiteren Gedanken geschrieben:

Gute Wünsche

Von Herzen wünsche ich gute Adventszeit, sinnerfüllte Weihnacht, einen erholsamen Jahresausklang mit vielen aufbauenden Kontakten, stabile Gesundheit und einen zuversichtlichen Start ins neue Jahr mit mancher sinnvollen Handlung.

Weiterführende Links

entwickelt im November 2021;
zuletzt einen Link verändert am 26.02.2025 zur druckerfreundlichen Ansicht zur druckerfreundlichen Ansicht

Anleitung (eines Praktikums oder Referendariats) als Selbst-Reflexion

In vielen sozialen Berufen gehört die Einführung von Neulingen in die Profession selbstverständlich zum Berufsbild.

Ein Praktikum ist Gelegenheit für Einblicke und erste Probe-Handlungen im neuen, beruflichen Umfeld.

Ein Referendariat ist darüber hinaus Gelegenheit, langsam in die Berufsrolle hineinzuwachsen und dabei unterstützt zu werden.

Dabei gewinnen nicht nur die Praktikantin / der Praktikant oder die Referendarin / der Referendar:
Auch die Anleitenden können sich ihrer Rolle versichern und neue Einsichten entdecken.
In dem ich die Rahmenbedingungen und wesentlichen Aspekte meiner Berufsrolle kurz darstelle, werde ich mir dieser wieder bewusst oder bewusster.
Ich selbst formuliere aktuell meine Freude an Kontakt mit vielen Menschen und die Lust, ihnen Lerngelegenheiten zu geben.

Beispielsweise – hier am Berufsbild des Allgemeinbildners in den beruflichen Schulen – meine aktuelle Stichwort-Liste:

  • Grundsätzlich muss ich organisieren, dass ich zum vereinbarten Zeitpunkt mit den nötigen Informationen am vereinbarten Ort bin (Selbstorganisation).
  • Mein Ziel ist, Lernprozesse bei den Schülerinnen/Schülern anzuregen und zu begleiten (Dazu gehören Information, Instruktion und möglichst vielfältige Lernaktivitäten der Schülerinnen/Schüler.)
  • Unterricht definiere ich als zielgerichtetes und bewusstes Handeln der Lehrkraft und der Schülerinnen/Schüler.
  • Unterricht wird geplant und vorbereitet (sinnvolle Archivierung von geleisteten Vorbereitungen).
  • Die Lehrkraft steuert soziale Prozesse, reguliert und bewertet. Dazu bedarf es auch der Absprachen (siehe nächster Punkt).
  • Nach meiner Vorstellung kooperieren Lehrkräfte mit Kolleg/innen, Ausbilder/innen und Erziehenden und … .
  • Sie reflektieren auf ihre eigene Praxis und bilden sich fort (in manchen Situationen können solche Impulse auch von den Praktikant/innen, aus Pausengesprächen oder aus der Zeitungslektüre stammen).
  • Zu einem für mich zufriedenstellenden Berufsbild als Lehrkraft gehören auch die ausbalancierten Polaritäten von Aktion und Entspannung und Routine und Innovation (herkömmlich „Work-Live-Balance“ genannt).

Welche Erfahrungen und Einschätzungen haben Sie?

Ich bin dankbar für diese Anregungen und leite gerne an.
Ich freue mich über Ihren Kommentar-Beitrag.

zum Anfang des Artikels

ursprünglich verfasst im Frühjahr 2014
zuletzt aktualisiert am 15.10.2019 / 17 Uhr          zur druckerfreundlichen Ansicht zur druckerfreundlichen Ansicht

Unterrichtsinhalte darstellen und am Schluss wiederholen (Profession Lehrkraft – 23)

Der Wunsch nach Ergebnissicherungen

Beim Auswerten des zurückliegenden Schuljahres stieß ich auf mehrfach wiederholte Wünsche meiner Schülerinnen und Schüler aus dem Technischen Gymnasium nach mehr gemeinsamen Ergebnissicherungen.

Tatsächlich baue ich meine Unterrichtssituationen nach dem konstruktivistischen Lernverständnis auf und da sind gemeinsame Ergebnissicherungen genau nicht zielführend.

Was steckt hinter dem nachdrücklich geäußerten Wunsch?

Tatsächlich könnte sich dahinter der Wunsch nach mehr Über- und Durchblick durch den zuweilen abstrakten und auch komplexen Stoff des Oberstufen-Stoffes in Religion verbergen.

Anregung: Advance Organizer

Durch einen Blogbeitrag eines didaktisch gründlich denkenden, jungen Kollegen über die Methode „Advance Organizer“ bin ich zu Experimenten angeregt worden. Leider ist sowohl das Blog als auch der twitter-Account des Autors @GrZahl inzwischen nicht mehr erreichbar.

Ich hatte die Methode Advance Organizer auch schon früher gelegentlich eingesetzt, dann aber wieder vergessen.
Inzwischen habe ich gute Erfahrungen und auch positive Rückmeldungen aus Oberstufenklassen.

Übersicht am Anfang und Wiederholen am Ende

Nun werde ich diesen Impuls wieder aufgreifen und dadurch eine Klammer um meinen Unterricht bauen: Schon früh in einer komplexen Unterrichtseinheit werde ich einen groben Überblick anbieten und am Ende die Schüler*innen gründlich wiederholen lassen.

Letztes gelingt mir ganz gut, in dem ich die Schüler*innen dazu auffordere, Fragen zum Stoff zur Wiederholungsstunde mitzubringen:

  • Die Fragen sollen zuerst Wissensfragen sein. Sie werden in einer Liste notiert.
  • Anschließend wird eine sinnvolle Reihenfolge gefunden und sie werden beantwortet.
  • Wenn am Ende der Fragen noch Zeit über ist, „drohe“ ich mit neuem Stoff. Das ist unangenehm!
  • Darum dürfen später auch noch mögliche Prüfungsfragen gestellt werden. (Darunter verstehe ich Fragen, auf die die fragestellende Person auch die Antwort kennt. – Also ein kleiner Rollenwechsel: Was könnten Sie fragen, wenn Sie Lehrkraft wären.)

Je besser sich die Schüler*innen auf die Wiederholungen vorbereiten, umso mehr profitieren sie. Das lernen sie in der Regel sehr schnell.

Und die Ergebnisse können sich sehen lassen.

Herzlichen Dank fürs Teilen und die Anregung (mit Literatur-Link).

Wünsche allen Lehrenden gute Erholung, weiter viel Freude am Unterrichten und Weiter-Lernen!

Weiterführende Links

zuletzt bearbeitet am 25.02.2025 / 12:42 h        zur druckerfreundlichen Ansicht zur druckerfreundlichen Ansicht

nach Klassenarbeiten auswerten (Profession Lehrkraft – 22)

Zusammenfassung

  • Waren die Aufgaben in der Klassenarbeit so zu erwarten und zumutbar?
  • Wie haben sich die Schülerinnen und Schüler vorbereitet und welche Note erwarten sie?
  • Wie können möglicherweise ungeschickte Vorgehensweisen beim Lernen und Vorbereiten auf Klassearbeiten angesprochen und verändert werden?
  • Wie kann die Lehrkraft für mehr Lernerfolg bei den Schüler*innen sorgen?

Auswertung hilft weiter!

Klassenarbeiten und Klausuren auszuwerten, hat vielfältige Effekte

  • Schülerinnen und Schüler können Ihre Eindrücke systematisch ausdrücken
  • Möglicherweise missverständliche oder als zu schwer empfundene Aufgabenstellungen werden identifiziert
  • Lehrkräfte bekommen Rückmeldungen und können ihre Lernanregungen verbessern
  • Die Schüler*innen schätzen die Intensität Ihrer Vorbereitung ein
  • Sie legen Ihre Leistungserwartung offen
  • Langfristig können sie ihre Lernbemühungen besser steuern.

Meine vormalige Praxis

Schon seit längerer Zeit ließ ich die Schüler*innen vor der Rückgabe der Klassenarbeiten eine Selbsteinschätzung notieren. Manche mochten das nicht. Ich hielt es dennoch für zielführend.

Nach der Besprechung des Erwartungshorizontes forderte ich sie zu einem Vergleich mit der tatsächlichen Leistungsbewertung auf.
Wenn es eine deutliche Abweichung gab, sollten sie sich über mögliche Erklärungen Gedanken machen und diese möglicherweise auch mit mir besprechen.

Besonders bei kräftigen Abweichungen oder fehlenden Erklärungen, war mir ein Austausch wichtig: Wie lernen sie im und nach dem Unterricht und vor der Klassenarbeit? Wie könnten bessere Leistungen erreicht werden? wie konnte ich meine Lern-Anregungen verbessern?

Durch Kollegen Spitau angeregte Weiterentwicklung meiner Praxis

Der Kollege Marcel Spitau hatte einen Fragebogen ausgegeben und ihn nach der Rückgabe mit den Schüler*innen besprochen.

Seinen Fragebogen habe ich inzwischen mehrfach weiter entwickelt, angereichert und graphisch aufbereitet.

Inzwischen habe ich die Vorgehensweise, diesen Fragebogen (für die Mittelstufe in der Du-Form) an die Klassenarbeit anzuhängen. Die Schüler*innen sollen sich drei bis fünf  Minuten am Ende der Klassenarbeit nehmen und den Bogen spontan ausfüllen.

Mit der Rückgabe der Klassenarbeiten liefere ich auch eine Auswertung und bespreche diese.

Anschließend werden die Schüler*innen dann zu Deutung der möglichen Differenz zwischen der erwarteten und der tatsächlichen Leistung aufgefordert.

Abschließen lade ich sie ein, Ihre Ziele zu formulieren. So kommen die Schüler*innen zunehmend mehr in die Selbstverantwortung für ihre Leistungen.

Mit diesem erweiterten Verfahren habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht.

Wer hat Erfahrungen mit solchen oder ähnlichen Verfahren?

Bin sehr an kollegialem Austausch interessiert!

Welche Vorgehensweise haben Sie?

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Weiterführende Links

zuletzt bearbeitet am 16.06.2024 / 19:47 h      zur druckerfreundlichen Ansicht zur druckerfreundlichen Ansicht

entlasten und gesund bleiben (Profession Lehrkraft – 21)

Kurzfassung:
Nicht nur immer Neues entwickeln,
sondern manches bewusst beenden,
loslassen und sich entlasten,
um gesund zu bleiben.

Der Lehr-Beruf kann als sinnvoll und schön, als vielfältig und die Person fordernd erlebt werden.

Besonders die Reflexion auf den Rhythmus zwischen Anforderung und Erholung ist zentral für eine fortdauernde Freude am Unterrichten und die Unterstützung einer stabilen Gesundheit.

Dazu gehört, immer wieder auch „Nein“ zu sagen und Gewohnheiten zu überprüfen.

Der Lehr-Beruf ist für mich ein schöner und sinnvoller Beziehungs-Beruf.

  • Ich empfinde es als verantwortungsvolle und bedeutsame Aufgabe, junge Menschen bei der persönlichen Entwicklung und der fachlichen Ausbildung zu begleiten, also zu unterrichten und zu erziehen.
  • Der Beruf ist kommunikativ und herausfordernd, d.h. ich bin in vielfältigen Kontakten und lerne ständig selbst immer weiter dazu.
  • Besonderes im Bereich Gruppendynamik und gesellschaftlich-politischer Entwicklungen und deren Spiegelungen in den Lerngruppen habe ich in den letzten Monaten viel Neues kennen gelernt und bearbeitet.

Hohe Anforderungen an professionelle Lehrkräfte

Unterrichtshandeln ist geplant, vorbereitet und konzeptorientiert.

Es ist hilfreich, wenn hinter den Einzel-Stunden oder Projekten ein Gesamtkonzept steht, welches – neben der Steuerung, Gewichtung und Auswahl der beispielhaften Inhalte und Methoden – auch der Reflexion dienen kann.
(Dazu hatte ich in einem anderen Text bereits mehr geschrieben.)

Zu einem gesunden Berufsleben gehört auch das Unterbrechen und Aufhören

So schön der Beruf auch sein mag, so anstrengend kann die hohe Anzahl der Kontakte, Heterogenität der Gruppen, Projektionen, hohe Lautstärke, 45-Minuten- oder 90-Minuten-Rhythmen, gesellschaftliche Eingebundenheit und vieles mehr sein.

Zur Professionalität der Lehrperson gehört nach meiner Vorstellung eine kluge Kräfte-Verteilung, die Planung einer leistbaren Belastungskurve im Laufe eines Schuljahres und regelmäßige Überprüfungen der eigenen Ziele, Arbeitsgewohnheiten und der Gesundheit.

Konkret lauten die Fragen dann zum Beispiel:

  • Gibt es Entlastung durch „kollaborative Unterrichtsvorbereitungen“?
  • Wie werden die Unterrichtstage und wie die unterrichtsfreien Zeiten strukturiert?
  • Wann sind Pausen und Reflexions-Zeiten sinnvoll und nötig?
  • Wie werden „anstrengende Erlebnisse“ verarbeitet und eingeordnet?
  • Wie werden „Erfolge“ gewürdigt, das heißt gefeiert?
  • Wie werden „Misserfolge“ eingeordnet, losgelassen und verarbeitet?
  • Wann bin ich „gut genug“ vorbereitet?
auch_weglassen_fuehrt_zu_erfolg

Kollegiale Beratung und Coachinggruppen oder Supervision unterstützen

Der kollegiale Austausch in der Berufsgruppe kann entlasten, anregen und Lösungsansätze entwickeln helfen. Darum ist kollegiale Beratung zu empfehlen.

Oft geschieht sie informell in den Lehrer*innen-Zimmern oder auch „zwischen Tür und Angel“, als auf den Fluren oder am Kopierer.
Für eine „Kultur des Loslassens“ benötigen die meisten Menschen mehr Energie und Zeit.
An manchen Schulen haben sich auch schon kollegiale Fallbesprechungsgruppen etabliert.
(Ein bewährter Vorschlag steckt hinter diesem Link; pdf; 75 KB.)

Für die systematische Weiterentwicklung der Professionalität der Lehrerinnen und Lehrer dienen Coaching oder Supervision – in Gruppen oder für Einzelpersonen.
Günstiger sind die Coachinggruppen: Aus Aufgaben und Erfahrungen Einzelner werden Herausforderungen und Anreize zur Reflexion und zum Wachstum für die anderen. Eine Supervisorin / ein Supervisor oder ein Coach steuert den Prozess und gibt Ideen und Anregungen „von außen“ in die Gruppe.
Dazu habe ich Ihnen ein Angebot:
Gruppensupervision mit Coaching-Elementen für Lehrer/innen

Weiterführende Links

Viel Freude an einem wunderschönen und herausfordernden Beruf!

Der Beitrag wurde im Herbst 2016 entwickelt
und zuletzt leicht überarbeitet am 20. November 2024 / 18:44 Uhr         zur druckerfreundlichen Ansicht zur druckerfreundlichen Ansicht