Zusammenfassung der Shruggie-Haltung
Leben wir unaufgeregt und realistisch
mit der Überforderung angesichts der Komplexität:
- Wir können die Welt nicht überblicken und die meisten Prozesse nicht steuern!
- Rechnen wir humorvoll und zuversichtlich
mit einer guten Zukunft. - Handeln wir, wo wir es können.
Ein realistischer Blick auf die komplexe Welt
Wir leben in einer Wachstumsgesellschaft.
Es „wachsen“:
- Wirtschaftsleistung
- verfügbares Wissen
- Freiheitsgrade
- Energiebedarf
- Umweltbelastung
- Unübersichtlichkeit
- Unsicherheit
- und damit die Herausforderungen an einzelne, Gruppen und ganze Gesellschaften, damit umzugehen.
Ein gängiger Bewältigungs-Versuch ist die Reduktion der Komplexität durch das feste, zuweilen fanatische Behaupten einer – meistens – einfachen Wahrnehmung, Meinung oder Deutung.
Was, wenn Kontrolle eine Illusion ist?
Wenn wir uns die Begrenzungen unserer Lösungsansätze eingestehen?
Wie ändert sich das Bild der Welt, wenn wir sie realistisch anschauen und unsere Wahrnehmungen von Wunschdenken oder Größenphantasien befreien?
¯\_(ツ)_/¯-Haltung: Gelassen und humorvoll mit Komplexität rechnen.
Mit der ¯\_(ツ)_/¯-Haltung können wir entspannt und gelassen in die Welt blicken. – Diskussionen können friedlich und entspannt verlaufen.
Wir haben bisher keine bewährten Verfahren und kaum angemessene Sprache für den Umgang mit Komplexität und tasten uns langsam und mühsam heran.
Tatsächlich neigen wir zu sprachlich linearen (und damit vereinfachte) Darstellungen.
Komplexität entsteht andererseits aus der Gleichzeitigkeit sehr unterschiedlicher Phänomene mit ganz unterschiedlichen Logiken, ist demnach genau nicht linear beschreibbar.
Das ist herausfordernd, teilweise verwirrend. Manchmal wird es unangenehm empfunden und fordert „Überforderungsbewältigungskompetenz“. Das ist die Übersetzung des Fachbegriffs „Ambiguitätstoleranz“: Wir sind genötigt, die Gleichzeitigkeit von vielfältigen Widersprüchlichkeiten auszuhalten.
Wie wäre es mit:
- humorvoll mit den Schultern zu zucken
- uns der begrenzten Reichweite eigener Einsicht einzugestehen
- probeweise zu handeln
- dabei realistisch zu sein
- und auf eine gute Zukunft zu hoffen.
Dafür gibt es im Netz das Emoticon „Shruggie“:
Eine alte Weisheit
In meiner Studienzeit lernte ich die Werke von Hans-Georg Gadamer über die Wissenschaft vom Verstehen, die Hermeneutik, kennen.
Herrn Gadamer wird als Haltung für erfolgreiches Verständnis der Satz „Der andere könnte Recht haben.“ zugeschrieben.
Respekt gegenüber den Beweggründen des Gegenübers als Chance
Darauf kann man mit der Hintergrundweisheit der Gewaltfreien Kommunikation (GfK) ankoppeln: Alle menschlichen Handlungen werden von Bedürfnissen angetrieben. Wenn wir uns dahin empathisch einfühlen, können wir (vielleicht) verstehen und Lösungen er-finden.
Es ist erstaunlich, welche Spiel- und Handlungsräume sich aus der ¯\_(ツ)_/¯-Haltung ergeben.
Weiterführende Links
- Dirk von Gehlen: Mehr Ratlosigkeit wagen
– in Deutschlandradio Essay und Diskurs vom 22. Juli 2018
hörens- und lesenswert - Dirk von Gehlen: Das Shruggie-Prinzip
anregendes Blog – aus Vermarkungsgründen „Prinzip“ 😉 - Wolf Lotter: Kühler Mut Aus: brandeins 4/2017
engagiert und lesenswert - Armin Nassehi: Die letzte Stunde der Wahrheit: Kritik der komplexitätsvergessenen Vernunft. kursbuch.edition; 2. Auflage 2018
gerade gelesen, anspruchsvoll – dazu auch:
- Interview mit Prof. Dr. Armin Nassehi zu seinem Werk durch Frau Isabella Schmid vom Dezember 2017 in BR alpha-Forum (mit den Stichworten: Flüchtlingsfrage, Gerechtigkeit, Vertrauen, Politik, Umgang mit gesellschaftlicher Komplexität, Ethik in der Palliativ-Medizin, Hang zu einfachen Lösungen, Unsicherheit, Digitalisierung und Zuversicht)
erfrischend verständlichere Sprache – mit vielen Beispielen (43′) - Der große, leider verstorbene Prof. Dr. Peter Kruse über die Reaktionen der Menschen auf wachsende Komplexität und dass sie selbverständlich spontan annehmen, dass sie recht hätten.
- Dirk von Gehlen: Was wäre, wenn Seehofer Recht hätte? Digitale Notizen zum guten Streiten. September 2018
mit sieben Regeln für gutes Streiten und kommentierenden Gedanken von Meredith Haaf - Dirk von Gehlen: Freiheit zum Andersdenken (Streitexperiment der sz)
Ein aktueller Grundimpulse zu diesen Gedanken mit einer spannenden und funktionierenden Diskussionsidee - Konkreter: Dr. Guido Strunk: Wie kommen wir auch in Zukunft zurecht? (Komplexität ist wie Nebel! – Seine Empfehlung: Auf Sicht fahren! (Circa 30 Minuten, anschaulicher Vortrag)
entwickelt im Oktober 2018;
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